Die Band Kettcar spielte in Erlangen

13.12.2008, 00:00 Uhr
Die Band Kettcar spielte in Erlangen

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Marcus Wiebusch ist einer, in dem man sich leicht täuschen kann. Rein äußerlich sieht der Sänger, Gitarrist und Texter von Kettcar so dermaßen auffallend unauffällig aus, so unaufgeregt nett und bodenständig verbindlich, dass einen die gnadenlose Wahrhaftigkeit seiner Texte geradezu überrumpeln kann. Geradeso, als würde einem der besten Freund offenbaren, dass man Mundgeruch hat.

«Man ist immer so alt wie alt man sich liebt«

Jeder kennt die Szenarien, die er beschreibt und doch hat diese Normalität etwas gruseliges: «Freitagabend, Altbau, 4. Stock / Wir nennen es Party / (...) Die Luft ist geschwängert mit Lügen wie: Man ist immer so alt wie man sich liebt / Da ist man dann besser dabei / Und jeder Satz fängt an mit ,eigentlich ...‘/Und endet nicht«, heißt es im Song «Graceland«, einem der Highlights vom neuen Album «Sylt«.

Schon seltsam, wie diese bitteren Bestandsaufnahmen so euphorisch mitgesungen werden wie Freiheitshymnen, so als wäre die Benennung der Zustände schon der Beginn ihrer Überwindung. Wo ja durchaus was dran ist. Doch auch wenn Kettcar lyrisch vielen ihrer deutschrockenden Kollegen voraus sind - musikalisch ist das reinster Stadionrock. Was ja nichts grundsätzlich schlechtes sein muss, nur gleichen sich die Songs mit ihren hymnischen Melodiebögen, den satt geschrubbten Gitarren und ihrer schnurgeraden Rhythmik einander doch sehr. Die Grenzen zu Bands wie Tomte, Tocotronic oder Virginia Jetzt! sind fließend.

Akkordeon und Trompete werden ausgepackt

Wen das nicht stört - oder gerade gefällt - wird von Kettcar mit einer beherzten, energetischen Show, witzigen Anekdoten und einer unaufgesetzten Freundlichkeit belohnt. Und für den letzten, wunderschönen Song «Am Tisch« packen sie dann tatsächlich noch Akkordeon und Trompete aus - ein luftiges, reduziertes Klangbild, das Wiebuschs poetischem Realismus sehr gut steht. In Zukunft gerne mehr davon.