Die Kapitänin des Nürnberger Kulturtankers

2.8.2019, 18:00 Uhr
Die Kapitänin des Nürnberger Kulturtankers

© Foto: Stefan Hippel

Ihr wichtigstes Arbeitswerkzeug sind ihre Schuhe. Flache Schuhe. Die braucht Simone Ruf nämlich, um schnell von A nach B nach C und wieder zurück zu kommen. "Ich bin sehr viel unterwegs im Künstlerhaus", sagt die 35-Jährige, die seit 1. Januar dieses Jahres die Leitung des altehrwürdigen Nürnberger Kulturtankers am Hauptbahnhof übernommen hat. 

Wie ein Schwamm, so hat man den Eindruck, saugt Simone Ruf Eindrücke, Meinungen und Atmosphären auf und macht sich ihren Reim darauf. Nicht nur im Künstlerhaus: Oft sieht man sie mit ihrem Fahrrad durch die Stadt düsen, über die sie sagt: "Nürnberg steht nicht still".

Genau das trifft auch auf das Künstlerhaus zu, das 1910 eingeweiht wurde und heute zu der städtischen Dienststelle KunstKulturQuartier gehört. Allein schon, weil der dritte und letzte Abschnitt der Generalsanierung läuft, der allerdings nur einen Teil des Hauses betrifft. 2022 sollen die Arbeiten fertig sein.

Keine leichte Zeit also, in der Simone Ruf, die aus Tauberbischofsheim stammt und in Passau Kulturwirtschaft studiert hat, das Ruder übernommen hat. Aber eine, in der man viel gestalten kann. Ideen gibt es genug. Da gilt es, vieles auszuprobieren, mit den Akteuren vor Ort zu sprechen, zu schauen, was funktioniert.

Am liebsten würde die Chefin etwa die Werkstätten auch tagsüber öffnen. Die Erfahrung, etwas mit den eigenen Händen zu formen, sei immens wichtig, gerade für junge Menschen und gerade in einer digitalen Welt, deren Herausforderungen sich ein Kulturzentrum heute ohnehin auch stellen muss.

Glasbau wird zum Experimentierfeld

Ganz konkret wird sich auch was im Glasbau tun, der zum Experimentierfeld werden soll. Hier darf sich zum Beispiel bald ein "digital creative in residence" vier Wochen lang austoben, also ein Kreativer, der zum Arbeiten nicht viel mehr als einen Laptop braucht – und dem Besucher über die Schulter schauen können. "Wir wollen generell mehr temporäre Räume zur Verfügung stellen", erklärt Simone Ruf, der die Raumnot in der Stadt sehr bewusst ist.

Auch das Filmhaus-Café möchte sie gerne bekannter machen. Ab 1. September übernehmen mit Tobias Fichtner und Simona Leyzerovich neue Pächter. Ein Dreh- und Angelpunkt, ein Ort des Netzwerkens soll das Café im ersten Stock werden.

Netzwerken – ohne geht heute nichts mehr. Menschen verbinden ist auch Simone Ruf ein großes Anliegen. Zehn Festangestellte, zahlreiche freie Mitarbeiter sowie 30 Gruppen und Vereine (wobei einige derzeit natürlich in ihren Ausweichquartieren zu finden sind) mit über 150 Ehrenamtlichen tummeln sich im Künstlerhaus. Viele nennen es heute noch "Komm" – wegen der Zeit von 1973 bis 1997, als das Haus ein selbstverwaltetes Jugendzentrum war und Geschichte schrieb. "Hier schlägt das Herz der Soziokultur", sagt Simone Ruf. Hermann Glasers und Michael Popps Konzept der Kultur von allen für alle ist auch ihr Credo. Zumal sie mit der Unterteilung in Hoch- und Subkultur so gar nichts anfangen kann.

Ein "Haus der Möglichkeiten", das offen für alle ist, wird das Ex-Komm auch nach dem Umbau sein. Was die Nürnberger von "ihrem" Künstlerhaus erwarten, das soll übrigens in Beteiligungsformaten ermittelt werden. An die Menschen da draußen hat die Leiterin noch eine Botschaft: "Viele denken fälschlicherweise, wir hätten wegen der Sanierung geschlossen. Aber wir haben geöffnet!".

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