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Die nächste Luftnummer? Welche Perspektiven Bühnen und Kinos in der Region haben

18.3.2021, 11:45 Uhr
Die Band Beatsteaks beim Konzert im Erlanger E-Werk 2017.

© Torsten Hanspach Die Band Beatsteaks beim Konzert im Erlanger E-Werk 2017.

Theater, Konzert- und Opernhäuser können gemäß den aktuellen Vorgaben ab dem 22. März öffnen“, vermeldete neulich (fürs Protokoll: am 11. März 2021) das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. „Die maximal zulässige Zuschauerzahl wird sich nach den örtlichen Gegebenheiten sowie der Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes und den gängigen Hygienemaßgaben richten“. Details – so in der Bekanntmachung weiter – werden noch ausgearbeitet.

„Ich freue mich sehr, dass wir mit weiteren klugen und umsichtigen Öffnungen wieder mehr Kunst und Kultur im Freistaat ermöglichen können“, gab Kunstminister Bernd Sibler in München stolz zu Protokoll. „Die kulturelle Durststrecke nähert sich dem Ende. Kunst- und Kulturschaffende erhalten wieder Auftrittsmöglichkeiten und das Publikum darf hoffen, wieder Kunst vor Ort zu erleben.“

Ministeriale Rechenspiele

Nimmt man den Minister beim Wort, dann könnte es ab kommenden Montag unter anderem in Weißenburg und Erlangen wieder losgehen. Beide Landkreise erfüllen derzeit die Vorgaben, die der Bayerische Ministerrat am 4. März beschlossen hat: nämlich dass ab dem 22. März „Theater, Konzert- und Opernhäuser öffnen können, wenn die 7-Tage-Inzidenz seit mindestens 14 Tagen den Wert von 100 nicht überschritten hat und die Entwicklung des Infektionsgeschehens stabil oder rückläufig ist.“ Den letzten Zusatz merken wir uns, auf ihn kommen wir später zurück.

Heimspiel im Bergwaldtheater Weißenburg.

Heimspiel im Bergwaldtheater Weißenburg. © Felix Oeder

Ein Anruf beim Kollegen vom Weißenburger Tagblatt. Jawohl, die Läden in der Stadt sind geöffnet und die Museen auch, das klappe soweit auch alles recht gut. Gleichwohl: man sei skeptisch und traue dem Frieden nicht so recht. Auch, weil keiner nur eine entfernte Ahnung hat, warum ausgerechnet in Westmittelfranken die Werte so gut sind, dass sich Weißenburg und Umgebung zuletzt glatt unter den Top 15 deutschlandweit wiederfanden.

"Wir haben keine Filme"

„Ja, eigentlich dürften wir zum 22. wieder öffnen“, schreibt Marion Böhm vom Movieworld-Kino in Gunzenhausen auf unsere Anfrage. „Dennoch werden wir noch geschlossen lassen. Wir haben von der Regierung kein Konzept oder Auflagen, wie wir öffnen dürfen. Und: Wir haben keine Filme. Jeder Film ist für eine bundesweite Auswertung ausgelegt, somit wird aktuell kein Verleih einen Film starten. Wir hätten uns sehr gefreut, öffnen zu können, aber unter diesen Gegebenheiten wäre es wirtschaftlich katastrophal.“

Die „Luna Bühne“ in Weißenburg will die Chance nutzen, aufsperren und spielen. „Geplant sind für Freitag und Samstag, 26./27. März, der Krimi ,Blasse Spuren von Timo Leibig und für Sonntag, 28. März, Folge 40 von ,Das Fränkische Amtsgericht’“, schreibt Thomas Hausner, Chef der Kleinkunstbühne, und nutzt gleich die Chance, die Werbetrommel zu rühren. „Mal sehen, ob es klappt.“

Lamm-Lichtspiele in Erlangen.

Lamm-Lichtspiele in Erlangen. © Edgar Pfrogner

Das Bergwaldtheater Weißenburg startet am Montag zumindest seinen Vorverkauf für die Sommersaison 2021. „Voraussichtlich“, wie die Mitarbeiterin im Kulturamt der Stadt nachschiebt. Karten gibt es online und am Telefon. „Die ersten Veranstaltungen stehen bei uns aber ohnehin erst im Mai an.“ Was bis dahin ist? Schulterzucken. Das Ordnungsamt hat sich noch nicht geäußert. Panta rhei – alles bleibt im Fluss.

Ähnlich verhält sich die Situation in Erlangen: Die Läden haben offen, die Museen auch. Nur mit dem Lichtspiel wird es auch hier nichts werden: das „Manhattan“-Kino und die „Lamm-Lichtspiele“ werden nicht öffnen, aus denselben Gründen wie die Kollegen in Gunzenhausen: Es gibt keine Filme und nichts zu bewerben.

Erst mal digital

Das Theater der Stadt hat sich schon im Januar klar positioniert und verkündet, erst im April wieder aufzusperren – so dies dann möglich ist. Bis dahin wird digital gespielt, etwa auf dem Smartphone oder mit einem corona-konformen Audiowalk durch die Stadt.

Im Theater Kuckucksheim in Heppstädt bei Adelsdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) ist man hin und her gerissen: Zwar steht ein Spielplan für die nächsten Monate, veröffentlicht wurde er bislang aber noch nicht. Theaterleiter Stefan Kügel: „Wir planen auf Sicht, aber ich vermute, dass wir nicht spielen werden.“

Auch die Kleinkunstbühne Fifty-Fifty im Herzen von Erlangen bleibt im März geschlossen. „Ich wüsste nicht, unter welchen Voraussetzungen ich gerade öffnen dürfte“, erklärt Geschäftsführerin Meike Walter. „Um es deutlich zu formulieren: Ich blicke als Veranstalter selber nicht durch.“

"Etwas Kleines im Freien"

Ein positives Signal sendet das E-Werk: Das Kulturzentrum mit einem Einzugsbereich weit über Erlangen hinaus will aufsperren, aber nur punktuell. „Das wird sicherlich keine Öffnung im normalen Sinne werden, also von Dienstag bis Sonntag mit allen gewohnten Programmpunkten, sondern auf einzelne Öffnungstage hinauslaufen, an denen wir dann jeweils etwas Kleines anbieten und das nach Möglichkeit im Freien“, heißt es.

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und lange überlegt, ob wir das verantworten können. Aber wir glauben an unsere Hygienekonzepte und sehen es als unseren Auftrag, aufzumachen. Verdient ist damit aber rein gar nichts.“

Minister Bernd Sibler.

Minister Bernd Sibler. © Steffen Leiprecht/Bayerischer Landtag

Nochmal zurück zur Bekanntmachung von Minister Sibler. In der findet sich eine weitere Vorgabe: „Liegt die 7-Tage-Inzidenz insoweit zwischen 50 und 100, benötigen die Besucherinnen und Besucher einen tagesaktuellen Corona-Schnell- oder Selbsttest als Eintrittsvoraussetzung.“ Weiter heißt es: „Ergänzend können die Kultureinrichtungen auch Corona-Schnell-/Selbsttests vor dem Einlass anbieten. Bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von unter 50 ist kein Test erforderlich.“

Wie kann und soll das praktisch funktionieren? Veranstalter (zumindest private) dürfen Besuchern, die keinen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können oder wollen, den Eintritt verwehren – das ist über das Hausrecht gedeckt. Doch wer zahlt diese Selbsttests? Und hieß es zuletzt nicht auch, dass die aus dem Supermarkt ohnehin nichts taugen?

Politische Schlupflöcher

Wenn man etwas gelernt hat im letzten Jahr, dann, sich an vollmundige Versprechen, abrupte Kehrtwendungen und gebrochene Zusagen der Politik zu gewöhnen. Und Hirn und Bauch zu trauen, die einem sagen „Natürlich werden sie den Lockdown erneut verlängern, alles andere wäre ja unlogisch“ – auch wenn das Herz dabei blutet. Trotzdem lohnt es sich, seine Aufmerksamkeit den zwei kleinen Zusätzen zu schenken, die sich in der ministerialen Bekanntmachung aus München finden.

Da heißt es zum einen: „Die Entscheidung trifft die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege nach Maßgabe von Rahmenkonzepten.“ Welche Amtsstube wird sich trauen, am Ende grünes Licht und die Erlaubnis zu geben, dass Theater, Konzert- und Opernhäuser aufsperren dürfen – vor allem auf Basis von so einem windelweichen Schreiben? Und wenn dann etwas passiert, diese Entscheidung auf ihre Kappe nehmen?

Von wegen rückläufig

Außerdem gibt es in dem Papier noch jenen interessanten Zusatz, den wir eingangs schon kurz hatten und der ein weiteres Schlupfloch offen lässt: „… wenn die Entwicklung des Infektionsgeschehens stabil oder rückläufig ist.“ Von einem rückläufigen Infektionsgeschehen kann man derzeit ja wohl kaum sprechen, wenn die Zahlen, wenig überraschend, allerorts wieder steigen – auch in Erlangen und Weißenburg.

Wie man es dreht und wendet – erneut werden Hoffnungen geschürt, und am Ende wird es wieder nix werden. Die nächste Luftnummer aus München. Meike Walter von der Erlanger Kleinkunstbühne „fifty fifty“ bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: „Die Politik muss eine echte Perspektive in Aussicht stellen, die ist unabdingbar für die Planbarkeit. So wie es sich jetzt darstellt, ist ein geschlossenes ,fifty’ effizienter.“

1000 Zuschauer in Berlin

A propos „Perspektive“: „Perspektive Kultur“ heißt ein Pilotprogramm in Berlin, das am kommenden Wochenende startet. Die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko spielen am Samstag ihr erstes Konzert seit einem Jahr – vor 1000 getesteten und Masken tragenden Zuschauern in der Philharmonie der Hauptstadt.

Die Berliner Philharmoniker unter der Leitung des Chefdirigenten Kirill Petrenko.

Die Berliner Philharmoniker unter der Leitung des Chefdirigenten Kirill Petrenko. © Paul Zinken, dpa

Das musikalische Programm ist corona-konform: Peter Tschaikowskis Orchesterfantasie „Romeo und Julia“ (Balkon = Abstand) sowie die Symphonie Nr. 2 von Sergej Rachmaninow (der große Russe lebte im Exil sehr zurückgezogen). Die Eintrittskarten waren im Nu vergriffen.

Der Abend wird von einem Team der Berliner Charité begleitet und analysiert. Ziel: Man will herausfinden, was aktuell möglich ist – unter welchen Bedingungen Künstler wieder öffentlich auftreten können und wie man Veranstaltern ermöglichen kann, einen verlässlichen und wirtschaftlichen Spielbetrieb aufzustellen. Weitere Testabende dieser Art sollen folgen, die gewonnenen Erkenntnisse sollen bis Anfang April ausgewertet und veröffentlicht werden.

Warum nicht auch in Nürnberg?

Während in Villarriba (Berlin) schon wieder öffentlich musiziert wird, verharrt Villabajo (Bayern) im kulturellen Tiefschlaf. Warum ist in München oder Nürnberg niemand auf diese Idee gekommen und hat so eine Testreihe gestartet?

Bei so viel Ärger eine gute Nachricht zum Schluss: Das Konzert in Berlin wird mitgeschnitten und am Ostersonntag, 4. April, um 17 Uhr auf Arte ausgestrahlt.

Redaktionelle Mitarbeit: Manfred Koch, Jan Stephan, Ulrike Löw.

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