"Die perfekte Kandidatin" von Haifa Al Mansour

11.3.2020, 19:30 Uhr

© Neue Visionen

Eigentlich braucht die junge saudische Ärztin Maryam (Mila Alzahrani) nur eine Reiseerlaubnis von einem männlichen Verwandten, damit sie zu einem Kongress nach Dubai fliegen kann. Da der Vater auf Konzertreise ist, wendet sie sich an ihren Cousin, einen Beamten. Doch der empfängt an diesem Tag nur Bewerber für die Gemeinderatswahlen. Um in sein Büro vorzudringen, lässt sich Maryam kurzentschlossen registrieren.

Zwar kann ihr der Verwandte nicht helfen, da sie nun aber schon auf der Wahlliste steht, macht Maryam Ernst mit der Kandidatur. Zumal sie sich schon lange über die nicht geteerte Straße zu ihrer Notaufnahme ärgert, auf der sich die Sanitäter mit den Schwerverletzten knöcheltief durch den Matsch kämpfen müssen. Gemeinsam mit ihren Schwestern, der Hochzeitsfilmerin Selma (Dae Al Hilali), und der Jüngsten, Sara, startet sie ihre Wahlkampagne auf YouTube. "Man muss seine Botschaft vermitteln", sagt Maryam, die sich von der anfänglichen Skepsis der Schwestern, die "das Gerede" der Leute fürchten, nicht beirren lässt.

Ihr Wahlkampf wird bald zum Politikum, bei einem Fernsehauftritt versucht der Moderator vergeblich, sie auf "typische" Frauenthemen festzulegen. Später wird Maryam den Respekt der pöbelnden Männer auf ihrer Veranstaltung einfordern.

Regisseurin Haifa Al Mansour knüpft mit "Die perfekte Kandidatin" an ihr 2012 international gefeiertes Debüt "Das Mädchen Wajdja" an und verbindet auch hier eine Emanzipationsgeschichte der leisen Töne mit gewitzter Kritik an den patriarchalischen Strukturen ihres Landes. Damals ging es um ein Mädchen, das gegen das Verbot, Rad zu fahren, rebellierte. Dass Maryram mit dem eigenen Wagen zur Arbeit fährt, deutet auf die vorsichtigen Reformprozesse der saudischen Gesellschaft hin. Auch die parallele Erzählung, in der der verwitwete Vater der Schwestern, ein virtuoser Oud-Spieler, erstmals nach 20 Jahren mit seiner Band auf Tour gehen darf, zeugt von den langsamen Veränderungen.

Gleichwohl zeigt "Die perfekte Kandidatin", dass die Lebenswelten von Männern und Frauen nach wie vor strikt getrennt sind. Während Al Mansour das äußerst liebevolle und lebendige Porträt schwesterlichen Zusammenhalts zeichnet, entlarvt sie zugleich die Absurditäten des patriarchalischen Denkens. "Raus hier", schreit der alte Mann, der sich von keiner Frau helfen lassen will, Maryam an, als die sich in der Notaufnahme über den Schwerverletzten beugt, um ihn zu untersuchen. Am Ende gesteht er ihr, dass er für sie gestimmt habe und nennt sie eine Hoffnungsträgerin. Ein Wort, mit dem Al Mansour die Botschaft ihres so kämpferischen wie wunderbar zarten und mutmachenden Films zusammenfasst. (101 Min.)

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