Die universelle Sprache der Musik

5.8.2018, 18:14 Uhr
Die universelle Sprache der Musik

© Horst Linke

Dass der 32-Jährige voller Ehrgeiz steckt, bekam Moderator Thomas Herr gleich beim ersten Einsatz zu spüren. Statt eines Gesprächs feuerte Wong seine Begrüßungssalven auf Deutsch ganz solo ab. Er freue sich, wie herzlich die Nürnberger auf ihn reagierten, meinte der Mann aus Singapur und gönnte sich in der Hitzemusikschlacht augenzwinkend auch mal einen Schluck fränkischen Biers.

Musikalisch lag er mit seiner persönlichen Favoritliste goldrichtig: Dem temperamentvollen Auftakt mit Paul Dukas‘ "Zauberlehrling" folgte das mit engschrittiger asiatischer Harmonik gespickte Violinkonzert "The Butterfly Lovers" von Gan Chen und Zhanhao. Das beginnt mit apartem Vogelgezwitscher und endet nach einer erfolgreichen Anbahnung zwischen ihr und ihm und eruptivem Orchesterbrausen auch wieder in gefiederter Zweisamkeit.

"Carmen" im feuerroten Kleid

Die koreanische Geigerin Bomsori Kim zeichnete die süß-saure Liebesgeschichte mit sehr linearem, gefühlvollem und charakterstarken Ton. Später — in Franz Waxmans "Carmen"-Fantasie —hatte sie ihr kariertes Outfit gegen ein feuerrotes Kleid ausgetauscht, wirbelte virtuos mit den berühmten Opernmelodien umeinander und hatte bei den Zugaben auch den richtigen Schmiss für Vittorio Montis "Csárdás"-Salonklassiker in petto.

Überhaupt lagen sehr viel Tanzrhythmen in der brühwarmen Luft. Geschmack- und druckvoll zeichneten die Symphoniker vier Sätze aus Prokofjews "Romeo und Julia"-Ballett nach und sprangen mit dem Hopak aus Tschaikowskys "Mazeppa" als dem Wunschstück. Die sinfonischen Tänze aus Bernsteins "West Siede Story" sind ja fast schon ein Markenzeichen des Orchesters. Auch Wongs Vorgänger Alexander Shelley hatte den zündenden "Mambo" mehrere Male aufgetischt. In puncto dirigentischer Geschmeidigkeit und Einfordern punktgenauer Artikulation sind sich der Brite und der Asiate übrigens recht nah.

Und dann erlebte das "Klassik Open Air" im 19. Jahr seines Bestehens noch eine veritable Neuerung. Noch nie hatte ein Pultmeister eigene Noten mitgebracht. "Sunny Island in Germany" nannte Kahchun Wong seinen Begrüßungsmarsch. Der entwickelte sich in drei Phasen: Per Smartphone oder händeklatschend zauberten die Zuhörer einen akustischen Landregen herbei, den der ausgetrocknete Luitpoldhain so dringend gebrauchen könnte. Dann sangen Kinder aus Singerpur per Einspielung das chinesische Volkslied "Sampon Dayong" und schließlich intonierte das Orchester die leichtfüßig instrumentierte Marschvariation darüber.

Mit dem sinnlichen Streicherglanz des "Intermezzo" aus Pietro Mascagnis "Cavalleria Rusticana" war dann der richtige romantische Soundtrack für das Wunderkerzen-Wogen gekommen. Und es sollte noch nicht das letzte Stück sein, bei dem zwar nicht unbedingt der Himmel, aber doch das ein oder andere Auge seine Schleusen öffnete: James Horners Musik zum "Titanic"-Film von 1997 legte bei den Zugaben einen Hauch von Melancholie über die Picknick-Gemeinschaft.

Drei Jahre nach ihrer Urauffühung 1941 destillierte Aram Chatschaturjan aus seiner Ballettmusik zu "Maskerade" eine fünfteilige Orchestersuite, aus der Wong den Schluss-Galopp bei den Encores noch unters Hörervolk warf. Wie gesagt, irgendwie faszinieren ihn wohl besonders Tanzrhythmen. Weshalb es wenig überraschte, dass das endgültige Ende erst mit einer Wiederholung des "Mambo" erreicht war. Leonard Bernstein, dessen Geburtstag in drei Wochen zum 100. Mal jährt, hätte an dieser friedlichen Zelebration seiner Musik sicher großen Gefallen gefunden.

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