Diesem Anfang wohnt ein Zauber inne

18.3.2018, 19:30 Uhr
Diesem Anfang wohnt ein Zauber inne

© Foto: Michael Matejka

Sogar der Botschafter von Singapur war für Wong, der ab Herbst neuer Musikchef am Dutzendteich wird, gekommen, die Meistersingerhalle war zweimal praktisch ausverkauft. Jeder wollte den "Neuen" beim "Inaugurationskonzert" erleben und wissen, worauf man sich als Abonnent nächstens einlässt: auf einen "Dirigenten, der alles weiß, was ein Orchester braucht".

Der frenetische Jubel nach Gustav Mahlers 5. Symphonie bewies: er weiß auch, was das Publikum braucht und will. Schon sein Gönner, Gustavo Dudamel (jetzt in Los Angeles), hatte mit Mahlers Fünfter den Bamberger Dirigentenwettbewerb gewonnen – ein Stück, mit dem ein Dirigent zeigen kann, was er beherrscht. Und Kahchun Wong zeigt: Er ist kein Mann der übereilten, überrumpelnden Schnellschüsse.

Er lässt der Musik Zeit sich zu entwickeln und zu wirken. Die Trompetenfanfaren zu Beginn brauchen keine helfende Dirigentenhand, danach hält sich Wong exakt an Mahlers Vorschrift: "in gemessenem Schritt" und inszeniert tatsächlich einen "Trauerkondukt" wie aus der österreichischen Generalmarsch-Tradition – übrigens war Wong als junger Kerl Militärmusiker in seiner Heimat.

Jede Instrumentierungsfinesse (Mahler hatte die Fünfte mehrfach umgearbeitet bis kurz vor seinem Tode) hat bei Wong Zeit zur Entfaltung, und er selbst weiß, er hat noch fünfzig Minuten bis zum Finale. Auf der Basis dieser Gelassenheit von Tempo und Dynamik wirkt jeder expressive, exzessive Gestus von Mahlers Musik umso mehr.

Kein unnötiges Gehabe

Dabei formt Wong nur die wichtigsten Passagen (besonders der Bläser) mit dem ganzen Körper vor, sonst ist er am Pult kein Mann unnötigen Gehabes: Präzise kommen seine Einsätze, für Orchester und Publikum hilfreich, verständlich. Worum es ihm hauptsächlich geht, ist die Intensität des Musizierens – und natürlich wollen bei diesem Konzert alle Symphoniker ihr Bestes geben.

Der fabelhafte Hornist, der Solotrompeter, die Holzbläser, die Harfe – sie alle erfüllen Wongs Wunsch nach einem Höchstmaß an Präzision, besonders an Ausdruck. Manches an diesem verlangsamten Suspense könnte noch variabler sein, noch mehr Entwicklung zeigen, aber Wong erreicht auf dieser Basis zum Beispiel eine durchaus effektvolle und überzeugende Inszenierung der großen Stretta-Feuerwerke in Nachfolge der 1. Symphonie.

Auf Raumwirkung

Oder im Scherzo mit den Hörnern einen Inbegriff von Romantik-Reminiszenz: Orchestrale Raumwirkung, das ist auch etwas, was Wong kann. Der Blick des Dirigenten zur Harfe: Jetzt kommt das berühmte "Adagietto" der Fünften. Bei Wong ist das kein morbide verklingender Trauergesang, sondern ein in differenzierten Streicherfarben gestaltetes zärtliches Albumblatt, mehr "Rosenkavalier" als "Tod in Venedig".

Das folgende triumphale Mahler-Finale, der gleichermaßen triumphale Dirigenten-Einstand – das macht Lust auf mehr Wong ab Sommer. Auch auf solche höchst konzentrierten und packenden Schubert-Interpretationen wie diesmal mit der "Unvollendeten". Und ebenso auf asiatische Klangbilder, wie sie der running-sushi-Express von Narong Prangcharoens "Phenomenon" mit viel Spezialpercussion und Bläsereinsatz vorüberziehen lässt. "Ein Lieblingsstück von mir", sagte Wong und meinte dabei sicher auch den Anfang wie bei Gershwin und den Schluss wie bei Strawinsky. Mehr davon: durchaus willkommen.

Nächster Symphoniker-Termin: 8. April mit Schumann, Rachmaninow, Grieg – nicht unter Kahchun Wong, sondern unter Perry So; Karten: 0911/47 40 154.

 

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