Er hat auch Nürnberg geprägt

Dokumentarfilm: Das war der Unternehmer hinter dem Kaufhaus "Schocken"

4.11.2021, 14:20 Uhr
Die Straßen rund um den Neubau in der Nürnberger Südstadt waren schwarz vor Menschen, als am 11. Oktober 1926 das Schocken-Kaufhaus am Aufseßplatz eröffnete.

© Salzgeber Die Straßen rund um den Neubau in der Nürnberger Südstadt waren schwarz vor Menschen, als am 11. Oktober 1926 das Schocken-Kaufhaus am Aufseßplatz eröffnete.

Alteingesessenen Nürnbergern ist der Name bis heute ein Begriff: Man ging zum "Schocken", auch wenn das 1926 am Aufseßplatz von Simon und Salman Schocken eröffnete Kaufhaus schon 1938, im Zuge der Arisierung durch die Nazis, an die Merkur AG überging, dann an Horten und schließlich an Galeria Kaufhof.

Wenn in den letzten Jahren vom "Schocken" die Rede war, dann vor allem deshalb, weil lange darum gerungen wurde, was aus dem 32 000 Quadratmeter großen Areal werden sollte, nachdem das wichtigste Einkaufszentrum in der Südstadt 2012 seine Türen geschlossen hatte.

Seit wenigen Monaten ist das Gebäude abgerissen, die Pläne für die Neubebauung klingen durchaus vielversprechend. Der Name "Schocken" soll erhalten bleiben, doch wer war eigentlich Salman Schocken, der das Warenhausimperium mit seinen insgesamt 22 Filialen und über 6000 Mitarbeitern nach dem Tod seines Bruder 1929 allein weiterführte?

Ein visionärer Unternehmer

Unternehmer, Philanthrop, Mäzen: Salman Schocken.

Unternehmer, Philanthrop, Mäzen: Salman Schocken. © Salzgeber

Dieser Frage geht jetzt die israelische Filmemacherin Noemi Schory in ihrer schnörkellosen und gründlich recherchierten Dokumentation "Schocken – Ein deutsches Leben" nach. Schory konnte dafür auf reiches Archivmaterial zurückgreifen, befragte Nachfahren und mit dem Lebenswerk Schockens eng vertraute Historiker und zeichnet das Porträt eines Mannes, der weit mehr war als ein visionärer Unternehmer. Angesichts seiner enormen Leistungen für das deutsch-jüdische Zusammenleben, die jüdische Kultur und Literatur erstaunt es fast, dass so wenig über ihn bekannt ist.

Schocken war ein Autodidakt, der während seiner Kindheit in Polen, wo er 1877 geboren wurde, nur die Grundschule besucht hatte. Umso mehr verehrte er Bücher und Bildung. Dass er Kaufmann wurde, war der Familientradition und wirtschaftlichen Zwängen geschuldet.

Von Anfang an stand der Schocken-Konzern, der seinen Hauptsitz in Zwickau hatte, für hervorragende soziale Arbeitsverhältnisse, was zum Anspruch der Warenhäuser passte, hochwertige Produkte für die Arbeiterklasse erschwinglich zu machen. Die in den Großstädten von dem Architekten Erich Mendelsohn, ein Pionier des "Neuen Bauens", errichteten Gebäude wurden wegen ihrer modernen Ästhetik mancherorts als Provokation empfunden, vor allem von den Nazis, die früh gegen Schocken hetzten und den Konzern 1938 enteigneten.

Einzigartige Privatbibliothek

Bereits vier Jahre zuvor war Schocken nach Palästina emigriert. Von dort aus führte der Förderer zahlreicher Schriftsteller (darunter der spätere Literaturnobelpreisträger Samuel Agnon) seine 1933 gegründete "Schocken-Bücherei" weiter, die auf jüdische Klassiker spezialisiert war und den Grundstein für eine einzigartige Privatbibliothek mit mehr als 60 000 Bänden bildete. Untergebracht ist sie bis heute in einem weltberühmten Mendelsohn-Bau in Jerusalem.

Doch obwohl sich Schocken in Palästina durch den Kauf der linksliberalen Tageszeitung Ha'aretz und als Mitglied im Verwaltungsrat der Hebräischen Universität für eine friedliche Koexistenz von Juden und Arabern engagierte, wurde er mit seiner neuen Heimat nicht warm. 1940 zog er in die USA und lebte bis zu seinem Tod 1959 abwechselnd dort und in der Schweiz.

"Er konnte tief in seinem Innern keinen Platz für sich finden", sagt sein Enkel, der heutige Ha'aretz-Herausgeber Amos Schocken, im Film. Als unabhängiger Geist, der sich jeder Anpassung verweigerte, blieb er lebenslang ein Außenseiter – auch in der von ihm so hochgehaltenen und geförderten jüdischen Kultur. (82 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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