Erlangen: Hightech trifft auf Fossilien

29.2.2020, 07:59 Uhr
Erlangen: Hightech trifft auf Fossilien

© Roland G. Huber

Die Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg hat zusammen mit der Geruchsforscherin Sissel Tolaas daraus ein multimediales Kunstprojekt gemacht — inklusive Riechstation und filmischen Einblicken in die Labore.

Diese faszinierende Arbeit gehört zu der Ausstellung "Survival of the Fittest", die sich mit insgesamt zehn internationalen Beiträgen um das Verhältnis von Natur und Hightech in der zeitgenössischen Kunst dreht. Auffallend dabei: Fast immer sind Teams, gerne auch interdisziplinäre, zugange. Und an vielen Stellen fragt man sich: Ist das noch Kunst oder schon Naturwissenschaft?

Das Spannende ist aber gerade, dass diese Grenzen hier fließend sind, dass Künstler auf die Forschungen, Methoden und Daten von Wissenschaftlern zurückgreifen, sich aber natürlich die Freiheit nehmen, damit zu spielen. So wie Andreas Greiner. Mit langsamer Kamerafahrt hat er unter dem Rasterelektronenmikroskop sogenannte "JCVI-Syn3.0- Zellen" so gefilmt, dass sie an eine Schneelandschaft oder Wattebäusche erinnern. Mit nur 473 Genen, so erklärt Kuratorin Milena Mercer, "können diese Zellen als kleinstmögliche Lebensformen bezeichnet werden." Komponist Páll Ragnar Pálsson hat dazu ein Stück für Piano, Sopran und Violine geschrieben. Ein selbstspielendes Piano liefert in der Ausstellung den Sound zu diesem Meilenstein der digitalen Biologie.

Auch das Künstlertrio um Bengt Sjölen greift für seine aufwendige, raumfüllende Arbeit "Asunder" (Auseinander) auf Supercomputer, auf künstliche neuronale Netzwerke und Geo-Daten von Forschungsinstituten zurück. Das Ganze wirkt hochwissenschaftlich und ist es wohl auch: Auf der einen Seite im Istzustand mehr oder weniger große Problemzonen der Welt von der Antarktis bis zu Berlin, dazu Zahlen, Fakten und Verbesserungsvorschläge. Die rechte Projektionsfläche simuliert dann, wie sich die Orte und Regionen bis 2030 und darüber hinaus verändern würden und was für die Umwelt wünschenswert wäre. Sehr komplex das Ganze, ohne Erklärung nicht zu begreifen und dem Tempo der Simulation kann man kaum folgen.

Dafür gibt einem Alexandra Daisy Ginsberg nebenan alle Zeit der Welt, um auf ihre von seltsamen Wesen belebte "Waldfotografie" zu blicken und darüber nachzudenken, ob es ethisch, moralisch und wissenschaftlich zu vertreten ist, Tiere zu "entwerfen" und patentrechtlich zu schützen. Schließlich sollen diese Wesen dem Wald nur Gutes tun. . . Ist die Umwelt mit künstlichem Design zu retten? Und wie lange gäbe es dann noch die "echte" Natur, die auf diese Weise erhalten werden soll?

Die Kunst greift in dieser anspruchsvollen, von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Ausstellung auf die Wissenschaft zurück, denkt sie kreativ, erschreckend, skurril, absurd oder bizarr weiter. Das ist oft hochkomplex und schwer zu verstehen, wirft aber wichtige ethische, gesellschaftliche und auch politische Fragen auf. Dabei sind auch die Besucher ganz direkt nach ihrer Einstellung gefragt: Lieber zurück zur Natur oder technischer Fortschritt? Biofleisch oder vegane Proteinquellen? Kultivierung alter Saatsorten oder Genmanipulation? Die Umfrage soll in einem eigenen Ausstellungsraum wachsen.

InfoKunstpalais Erlangen, Palais Stutterheim, Marktplatz 1. Eröffnung heute um 19 Uhr. Bis 24. Mai, Di.-So. 10-18, Mi. 10-20 Uhr.

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