Es droht ein Kahlschlag: So sehr leidet das Nachtleben in Franken unter Corona

29.5.2020, 13:11 Uhr
Es droht ein Kahlschlag: So sehr leidet das Nachtleben in Franken unter Corona

© Sophia Kembowski, dpa

Es droht ein Kahlschlag: So sehr leidet das Nachtleben in Franken unter Corona

© Peter Gruner

Konzerte, Disco, Kino, Lesungen, Biergarten oder einfach nur Barbetrieb – im "E-Werk" Erlangen findet all das unter einem Dach statt. Holger Watzka ist einer der Köpfe hinter dem Kulturzentrum, das von der Stadt Erlangen gefördert wird (bei einer Eigenerwirtschaftungsquote von 70 Prozent).

"Das Grundproblem ist die Abstandsregel: Die funktioniert weder bei einem Punkrock-Konzert noch bei einer Techno-Party. Hinzu kommt, dass es rein rechtlich immer noch keine bindende Aussage gibt. Außer dem vielzitierten Söder-Satz, dass Großveranstaltungen bis Ende August grundsätzlich untersagt sind, haben die Veranstalter bis heute wenig Konkretes an der Hand. Das bedeutet: Eine ganze Branche wartet auf den Stichtag 31. August. Darüber hinaus herrscht überall große Unsicherheit. Wie es im Moment aussieht, wird 2021 das komplette Veranstaltungsjahr 2020 nachgeholt...

Mit Corona-Auflagen bleiben im Kino nur noch 13 Sitzplätze

Fakt ist: Wir können im E-Werk keinen Corona-Kulturbetrieb ausrichten und haben derzeit auch keine Möglichkeit, aus eigener Kraft Gelder zu generieren, die erwähnenswert sind. Mit Corona-Abstandsregeln würden in unserem hauseigenen Kino gerade noch 13 Sitzplätze übrig bleiben – damit kann man unmöglich kostendeckend arbeiten.

Ja, wir haben Soforthilfe bekommen und überleben im Moment damit noch, auch, weil wir alle in Kurzarbeit sind und versuchen, aus unserem eigenen Budget und aus Rücklagen heraus die Aushilfen im Haus zu halten. Auch wenn wir aktuell noch nicht im Panikmodus sind, ist die Situation für uns sehr angespannt und ungewiss. Rein privatwirtschaftlich betriebenen Live-Clubs wie dem ,Club Stereo‘ oder dem ,Hirsch‘ geht es da noch deutlich schlechter, hier muss dringend geholfen werden."

Konzert für nur 400 Zuschauer ist in Meistersingerhalle "nicht möglich"

Es droht ein Kahlschlag: So sehr leidet das Nachtleben in Franken unter Corona

© Roland Fengler

Peter Harasim ist einer der Leiter des Concertbüros Franken, einem der größten privaten Veranstalter von Konzerten, Partys und Open-Air-Festivals in der Region. Mit dem "Hirsch" betreibt das CBF einen Musikclub in Nürnberg.

"Es ist nicht möglich, einen Club wie den ,Hirsch‘ nur für 200 Besucher zu betreiben oder ein Konzert in der ,Meistersingerhalle‘ für 400 Besucher zu veranstalten. Der finanzielle Aufwand bleibt derselbe und reduziert sich nicht, nur weil Corona ist. Effizientes Arbeiten ist nur möglich, wenn die Spielstätten normal ausgelastet sind. Doch diesen normalen Betrieb wird es auf absehbare Zeit nicht geben. So kann ich nur knallhart sagen: Das einzige, was uns im Augenblick weiter hilft, ist Geld. Und zwar möglichst viel.

Bei uns ist schon finanzielle Unterstützung angekommen. Und was ich auch sagen muss: Wir finden Gehör. Bei der Stadt Nürnberg hört man sich unsere Sorgen an und versucht, im Rahmen der Möglichkeiten zu helfen. Sehr dankbar sind wir über das laufende Crowdfunding für den ,Hirsch‘, so etwas hilft, wenn auch nur kurz. Die Idee, auf der Großen Straße ein Konzertkino zu veranstalten, ist ebenfalls ein Lichtblick, aber ehrlich gesagt, auch nicht mehr als ein Lebenszeichen.

Auch wir haben unsere Hausaufgaben längst erledigt: 95 Prozent aller Veranstaltungen wurden aufs nächste Jahr verlegt. Trotzdem leiden wir nach wie vor unter der unklaren Lage: Außer der Information, dass bis 31. August keine Großveranstaltungen stattfinden dürfen, gibt es nach wie vor keine konkreten Aus- beziehungsweise Ansagen seitens der Politik. Deshalb sind auch unsere Open-Air-Festivals im Sommer offiziell immer noch nicht abgesagt: Dafür brauchen wir eine Absage seitens des Gesetzgebers, als Rechtsgrundlage, auch dem Kunden gegenüber. Doch da kommt nichts."

Hochzeiten wegen Corona geplatzt: "Nun fließen viele Tränen"

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© Adelina Milaku

Tina Bogner ist Geschäftsführerin im "Parks", der Gastronomie im Nürnberger Stadtpark. Die ist Café, Bar und Restaurant auf der einen sowie Kleinkunstbühne und Partylocation auf der anderen Seite.

"Wir haben das große Glück, dass wir kein reiner Club sind, sondern eine Eventlocation mit Tagesbetrieb. Wir leben von öffentlichen Partys und geschlossenen Gesellschaften. Das Tagesgeschäft, das bislang eher nebenher mitgenommen wurde, war in der Krise unsere einzige verbliebene Einnahmequelle. Mit "To go"-Angeboten konnten wir zumindest noch irgendetwas machen. Doch als Gastronom zu sehen, dass der Stadtpark voll mit Menschen ist und man selbst nicht aufsperren darf, das ist schon hart.

Wir waren bereits das komplette Jahr mit Hochzeiten ausgebucht, nun fließen viele Tränen, was auch uns sehr bedrückt. An den Kulturveranstaltungen bei uns im Haus hängt unter anderem eine kleine Agentur mit dran, bei der seit Wochen ebenfalls alles stillsteht. Ja, uns trifft die Krise schwer, wir sind am kämpfen. Total leid tun mir aber die privaten Clubbetreiber, die derzeit keinerlei Perspektive haben."

Ersten Clubs werden "im Hochsommer zusperren müssen"

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© Eduard Weigert

David Lodhi vom "Club Stereo" in Nürnberg, wo vor dem Lockdown täglich Konzerte und Tanzveranstaltungen stattfanden, ist einer dieser privaten Clubbetreiber, denen gerade ein ganzes Lebenswerk entgleitet.

"Es ist Mai und fast jeden Tag gibt es neue Verordnungen und Erlässe. Ich persönlich fände es wichtiger, wenn ihr von der Zeitung die Frage nach einem Rettungsschirm für Kulturschaffende fokussiert statt Spekulationen anzuheizen, wie lange die Clubs noch durchhalten werden.

Die ersten werden im Hochsommer zusperren müssen, mit dem ,Roxy‘ in Köln ist der erste bekannte deutsche Club, den dieses Schicksal ereilt hat, bereits durch die Medien gegangen. Die Frage nach dem Jahresende stellt sich für viele zwangsweise nicht."


Hier finden Sie täglich aktualisiert die Zahl der Corona-Infizierten in der Region. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Über aktuelle Entwicklungen in der Corona-Krise


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