Heimspiel

Fitzgerald Kusz: "Dahamm" bei Nürnbergs bekanntestem Mundart-Dichter

2.10.2021, 13:59 Uhr
Das Theaterstück "Schweig Bub!" war 1976 sein Durchbruch: Heute ist Fitzgerald Kusz Frankens wohl bekanntester Mundart-Dichter.

© Stefan Hippel, NNZ Das Theaterstück "Schweig Bub!" war 1976 sein Durchbruch: Heute ist Fitzgerald Kusz Frankens wohl bekanntester Mundart-Dichter.

Der Wind, der durch die Bäume vor dem Kusz’schen Häuschen rauscht, kündigt den Herbst schon an. Obwohl in der Stadt gelegen, ist es hier, wo Nürnbergs bekanntester Dialekt-Dichter zuhause ist, erstaunlich grün. Etliche Eichenbäume verwandeln die Straße mit den kleinen Reihenhäusern in eine Allee. In seinem neuesten Gedichtband „Sunnablumma“ hat Fitzgerald Kusz ihnen ein Gedicht gewidmet. In Jeans und schwarzem Hemd winkt der 76-Jährige den Besuch von der Presse ins Haus. 1984 hat er es mit seiner Frau Birgit gekauft, ihre drei Kinder sind hier aufgewachsen. Sie waren auch der Grund, von der Hochstraße („Damals noch nicht gentrifiziert“) in das lauschige Eck in Gleißhammer zu ziehen. „Hier konnten wir die Kinder einfach rauslassen“, sagt Kusz.

Vom Wohnzimmer aus schaut man auf den kleinen Garten mit einer sonnigen kleinen Terrasse. Ehefrau Birgit schnippelt hier gerade eine Zwiebel. „Heute gibt’s was Schnelles, mal schauen“, sagt sie. Gnärschig ist der Gemahl nicht. Nach seinem Lieblingsessen befragt, überlegt er, um dann so kurz wie seine Haikus zu antworten: „Alles, was die Birgit kocht.“

"Kein Fisch! Außer Karpfen, gebacken..."

Bloß Fisch muss nicht sein, außer Karpfen, gebacken. „Aber das ist irgendwie kein Fisch“, sagt Kusz und lacht. Seit 45 Jahren sind sie ein Paar – ein harmonisches, wie man sehen kann. „Ein Team, immer auf Augenhöhe“, sagen beide. Ehefrau Birgit, einst Texterin von Beruf, ist die Erste, die das, was Kusz schreibt, zu lesen bekommt. Die wichtigste Lektorin. Bei einer Lesung haben sie sich einst kennengelernt. „Wir haben zusammen gelästert“, sagt sie und lacht.

Bunt geht es zu im Hause Kusz: Zwischen (viel fränkische) Kunst mischen sich auch Donald Duck und Micky Maus.

Bunt geht es zu im Hause Kusz: Zwischen (viel fränkische) Kunst mischen sich auch Donald Duck und Micky Maus. © Stefan Hippel, NNZ

Am großen Holztisch mit den blauen Stühlen kann man gemütlich plaudern und den Blick schweifen lassen. Es gibt viel zu sehen im Haushalt Kusz. Micky Maus und Donald-Figuren, gesammelt von Birgit Kusz, geliebt von beiden, tummeln sich auf Kommoden und neben Kunstwerken. Bunte Gemälde bedecken die Wände wie das Treppenhaus von oben bis unten. Werke fränkischer Künstler wie Kevin Coyne oder Harri Schemm, aber auch von Sohn Jonas, Theaterplastiker am Staatstheater, der gerne majestätisch blickende Diven malt. Drei Kinder haben die Kusz: neben Jonas noch Tochter Lisa, Schauspielerin, der älteste Sohn Benjamin ist Buchhändler. Einen Enkel, Lennox, gibt es außerdem. „Wenn die Kinder kommen, dann räume ich mein Zimmer“, sagt Birgit Kusz und lacht. Und die Kinder kommen immer noch gern und oft. Man versteht sehr gut, warum.


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Fitzgerald Kusz selbst ist als Einzelkind aufgewachsen, in der Büg in Forth, dem heutigen Eckental. In zwei Welten und mit zwei Dialekten. Neben der fränkischen Mutter und der Großmutter gab es durch den Vater, einem Opernsänger, auch die Berliner Schnauze. „Ick kann dit ooch, abber nich so jut wie er!“, gibt Kusz lachend einen Beweis ab. „Der Berliner Witz ist schneller, er haut mehr rein“, zieht der Dialekt-Experte den Vergleich. Er machte einst das Fränkische in der Literatur und auf der Theaterbühne salonfähig. Oder, wie er es formuliert: „Ich habe dem Selbstbewusstsein des Fränkischen ein bisschen weitergeholfen.“

Fitzerald Kusz als Konfirmand. Damals hieß der Bub noch Rüdiger...

Fitzerald Kusz als Konfirmand. Damals hieß der Bub noch Rüdiger... © Stefan Hippel, NNZ

Vor allem natürlich mit seinem Kultstück schlechthin: „Schweig, Bub!“ Eine Konfirmation in Franken, bei der die Verwandtschaft aufs Schönste und Derbste entgleist. Ein Rundumschlag, mit vielen biografischen Bezügen. 1976 feierte es am Nürnberger Schauspielhaus Premiere. Über 700 Mal wurde es aufgeführt, auch weit außerhalb Frankens, und in diverse Dialekte übersetzt. „Der Konfirmand“ lautete der Arbeitstitel. In Kusz’ Arbeitszimmer im zweiten Stock steht zwischen Bücherregalen ein Pappschild mit einem Foto von Kusz als Kind im Konfirmationsanzug.

Schweig, Bub!

„Es ist eigentlich ein Jugendstück“, erklärt Kusz. Die Einführung des „Buben“ in die – teils horrende – Welt der Erwachsenen. So schlimm und komisch, dass der „Bub“ nur noch die Sahnetorte auf dem Teller zermatschen konnte und sich das Publikum bog vor Lachen. „Einige ältere Damen waren nach dem Theaterbesuch auch ein bisschen pikiert. Aber das gehörte auch dazu“, sagt er.

In seinem Arbeitszimmer, seiner „Höhle“, wirft Mundart-Autor Fitzgerald Kusz mit Redakteurin Anette Röckl einen Blick in die Urfassung seines Stückes „Schweig, Bub!“

In seinem Arbeitszimmer, seiner „Höhle“, wirft Mundart-Autor Fitzgerald Kusz mit Redakteurin Anette Röckl einen Blick in die Urfassung seines Stückes „Schweig, Bub!“ © Stefan Hippel, NNZ

Voller Bücher ist sein Arbeitszimmer, seine Höhle, wie der Schriftsteller sagt. Unter der Dachschräge schaut er vom Computer direkt auf den Apfelbaum im Garten. 25 abendfüllende Theaterstücke hat er im Lauf der Jahre verfasst, auch viel fürs Fernsehen gearbeitet. Drehbücher, das sei ein sehr schematisches Arbeiten, sagt er. Gedichte, bevorzugt die Kurzform Haiku, mag er heute lieber. „Da muss man sich mit niemandem rumärgern.“ Mit keinem Redakteur, keinem Regisseur. Am Schreibtisch entstehen seine Gedichte aber selten, eher beim Spazierengehen. „Gedichte kommen ja als Überfall“, sagt Kusz. „Man kann sich nicht hinsetzen und sagen: ,Ich schreib jetzt ein Gedicht‘, das wird nix.“

Kein Smartphone, keine Störung

In der Ruhe, draußen in der Natur kommen ihm die Geistesblitze. „Da kommt das hoch, was in der Rumpelkammer des Unterbewusstseins vor sich hin schlummert“, beschreibt es Kusz. Ein Smartphone hat er nicht. „Naa, ich will ja nicht gestört werden!“ Er liebt „Kladden“ und hat immer ein Heftchen dabei, um Ideen zu notieren, wenn der Überfall kommt.

Sein erstes fränkisches Gedicht war übrigens ein Wutanfall. Eine Schimpftirade auf eine Freundin, die ihn als jungen Mann versetzte, drängte damals aus ihm heraus, zwingend auf Fränkisch. „Die Ruudzbridschn“ war am Ende für etwas gut: Sie war der Auftakt seiner Dialekt-Dichtung. Gesehen hat er die Frau nie wieder. „Nein, nach so einem Gedicht geht das auch nimmer!“ Vorher hatte er hochsprachlich geschrieben, auf der Pop-Welle, in der Kurzformen wie Epigramme angesagt waren. Das Plakat seines ersten Auftrittes 1967, mit Größen wie Peter Handke, hängt in seiner Arbeits-Höhle. Sein Künstlervorname stand dort zum ersten Mal groß. Fitzgerald, ein Spitzname, den ihm die Freunde gaben, weil seine Stirnlocke an John Fitzgerald Kennedy erinnerte. Seitdem war er „der Fitz“. „Dass ich eigentlich Rüdiger heiße, weiß heute bloß noch das Finanzamt“, sagt Kusz.

Das Fränkische groovt

In Erlangen studierte er Germanistik und Anglistik und war Ende der 1960er Jahre eine Zeit ein Jahr lang Assistenz-Lehrer in England, in der Nähe des Swinging London. Er tauchte in Musikclubs ab, erlebte Stars wie Jimi Hendrix live. Seinen Beruf als Lehrer an einem Nürnberger Gymnasium hängte er 1982 an den Nagel und versuchte, trotz warnender Stimmen, vom Schreiben zu leben. Und wurde zu dem fränkischen Dialekt-Autor, zu einer Institution des Mundartlichen schlechthin. Der Sound des Fränkischen hat es ihm angetan. „Man kann klanglich damit so viel machen“, sagt er. Und liest auf Bitte hin ein paar neue Gedichte vor. Es groovt, nicht nur bei „L“ und „R“.

Seit über 40 Jahren ein paar: Fitzgerald und Birgit Kusz. Zusammen haben sie drei Kinder.

Seit über 40 Jahren ein paar: Fitzgerald und Birgit Kusz. Zusammen haben sie drei Kinder. © Stefan Hippel, NNZ

Im heimischen Rückzugsort hielt er die strenge Coronazeit relativ gut aus. Aber eines fehlt ihm: das Meer. Stundenlang könnte er den Wellen zusehen. „Ich muss immer auf ein Wasser schauen“, sagt Kusz. Jetzt eben auf den Dutzendteich, den er gern umrundet. Das Meer, Sinnbild für Fernweh und Horizont, hat er auch in ein Gedicht über seine Großmutter eingearbeitet. „Mei Oma houd nie es Meer gsäing“, lautet der letzte Satz. Er hofft, es nächstes Jahr wieder zu sehen, auf Thassos. Dort wird ihn sicher auch wieder das ein oder andere Gedicht überfallen.

Zur Person: Der Mundart-Autor Frankens schlechthin, 1944 in Nürnberg geboren. Mitglied des PEN-Zentrums und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Unter anderem Träger des Bundesverdienstkreuzes, des Nürnberger Kulturpreises und des Bayerischen Dialektpreises. Seit über 40 Jahren sind Birgit und Fitzgerald Kusz – hier m Garten ihres Hauses in Gleißhammer – ein Paar. Die beiden haben drei Kinder.

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