Freudig geschmetterte »Hola-dri-jo«

14.6.2010, 00:00 Uhr
Freudig geschmetterte »Hola-dri-jo«

© Aslanidis

Eines vorweg: Ob nun »Hola-dri-jo« oder »Hola-dri-ju« das zweite Futur nach Sonnenaufgang markiert, weiß ich immer noch nicht, dafür bin ich aber um mindestens eine Erkenntnis reicher: Jodeln ist tatsächlich, wie die Vorankündigung versprach, äußerst entspannend und Stress abbauend – und macht einfach einen Heidenspaß.

17 Frauen und fünf Männer, darunter Twens genauso wie Endfünfzigerinnen, haben sich in der Villa Leon eingefunden, um sich von den Dozenten Ingrid Hammer und Sigurd Bemme vom Vokalensemble »Transalpin« einen Gesangsstil beibringen zu lassen, den viele nach wie vor mit verkitschter Heimatfilm-Romantik assoziieren. Dabei jodelt man beileibe nicht nur in den Alpen, sondern auf der ganzen Welt, unter anderem im zentralafrikanischen Regenwald, in Kolumbien, in Georgien, bei den Inuit in Alaska oder den Sami in Norwegen.

Wie Hubert von Goisern

Genauso vielfältig sind die Beweggründe, die die Teilnehmer zu dem zweitägigen Workshop geführt haben: Camilla wurde von ihrem Heilpraktiker zum »Heiljodeln« animiert und möchte ihre Erkenntnisse nun vertiefen. Anita, Musikerin, will zurück zu ihren Wurzeln und sagt sich »Wenn der Hubert von Goisern das kann, dann kann ich das auch«. Ria wiederum macht eine Abschlussarbeit über Gesangstechniken. Ich für meinen Teil würde wohl nie ohne schmerzhaften Grund jodeln, hätte mich die Zeitung nicht hierher geschickt, bin als weltoffener Musiker aber immer für skurrile Selbstversuche zu haben. Nun denn.

Das Jodeln beginnt mit einem langen, tiefen Seufzer. Wir stehen in einem großen Kreis, haben uns am Kopf an einer imaginären Schnur aufgehängt und stöhnen, seufzen und gähnen was das Zeug hält. Wüsste ich nicht, dass solche Aufwärmübungen genauso wichtig wie effektiv sind, käme ich mir unter Umständen etwas lächerlich vor.

Schmachtender Mehrklang

Ingrid gelingt es jedoch mit ihrer direkten, unverstellten Art, nicht nur die körperlichen, sondern auch die seelischen Verkrampfungen zu lösen und so sind wir nach einer halben Stunde Lockerungs-, Konzentrations- und Stimmtraining bereit für den ersten, elementaren Schritt zum großen Jodeldidü: Der Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme. Was nach der klassischen Gesangslehre möglichst geschmeidig und übergangslos geschehen sollte, braucht beim Jodeln ein abruptes »Kippen« von der einen in die andere Lage. Anfangs tapse ich noch etwas unsicher suchend durch die Intervalle, doch unter Sigurs Anleitung finde ich bald meinen Platz im sehnsüchtig schmachtenden Mehrklang: »Tjo-tjo-ri-ri-di jo-e-tjo i-ri!« Na sowas, das klingt ja richtig schön!

Wenige Stunden später haben Ingrid und Sigurd aus diesem wenig homogenen Gemisch von Hobby-, Profi- und Badewannensängerinnen einen respektablen Chor geformt, der den »Rinegger Dreier« in kraftvoller Dreistimmigkeit jodelt, durchaus hörbare Sextette bildet und beim afrikanischen Pygmäen-Kanon »Amaibu« die Schädeldecke zum Vibrieren bringt. Und als zwischendurch die Frage aufkommt, ob es am Ende des dritten Taktes denn nun »ho-la-dri« oder »jo-i-ri« heißt, lässt der gute Loriot dann doch mal kurz sein spöttisches Lächeln aufblitzen.