Frust und Traurigkeit im Lockdown: So helfen Eltern ihren Kindern

6.5.2021, 16:57 Uhr
Manche Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Corona-Maßnahmen. 

© imago images/Panthermedia/AntonioGuillem Manche Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Corona-Maßnahmen. 

Zahlreiche Eltern und Großeltern riefen bei Chefärztin Dr. Kathrin Herrmann und Oberärztin Dr. Ursula Böhm an und berichteten von deutlichen Auffälligkeiten ihrer Kinder und Enkel, die etwa im Alter zwischen acht und 17 Jahren sind. Sie erzählten aber auch von ihrer eigenen Unsicherheit und Hilflosigkeit im Umgang mit ihnen.

"Viele sagen, sie bemühen sich sehr, die Kinder aufzufangen, aber die lange Dauer der Einschränkungen bringt alle an ihre Grenzen. Je mehr feste Strukturen weggebrochen sind – also Schule, Hobbys und soziale Kontakte – und je länger es dauert, desto schwieriger wird es", fasst Chefärztin Kathrin Herrmann zusammen.

Die meisten Anrufer schilderten, dass sich ihr Kind seit Monaten sehr zurückzieht, nicht mehr aus dem Zimmer kommt, sich nicht mehr mit dem besten Freund oder der Freundin treffen mag, traurig wirkt und sich einigelt.

Zwanghaftes Händewaschen

Manche entwickeln ein zwanghaftes Verhalten, waschen sich ständig die Hände, achten übertrieben auf Regeln wie das überkorrekte Maskentragen oder räumen ständig ihr Zimmer auf. "Oft ist Zwang eine Maßnahme, um seine Ängste zu unterdrücken und sich zu stabilisieren, sich also durch das Befolgen eines Rituals zu beruhigen", erklärt Chefärztin Herrmann. Häufig kommt es auch zu Streit in der Familie, weil die Eltern womöglich in Scheidung leben und sehr unterschiedlich mit den Corona-Maßnahmen umgehen, sich beispielsweise nicht einig sind, ob das Kind getestet werden soll oder nicht. Die Stimmung in der Familie ist schlecht. Was also tun?

Offen ansprechen

Kathrin Herrmann rät: "Sprechen Sie das Kind behutsam an und äußern Sie, dass Sie sich Sorgen machen." Eltern können sagen, sie beobachten, dass sich ihr Sohn oder ihre Tochter verändert hat und sich abkapselt. Sie dürfen konkret fragen: "Wie kann ich dir helfen?" Aber: "Es sollte nicht nach einem Vorwurf klingen und das Kind sollte nicht das Gefühl bekommen, etwas falsch gemacht zu haben", sagt Chefärztin Herrmann. Unangebracht sind Sätze wie: "Stell dich nicht so an."

Wie kann ich dir helfen?

Es ist gut, wenn Eltern ihrem Sohn oder ihrer Tochter versichern, dass sie nicht alleine in dieser Situation sind, dass sie nicht ausgegrenzt werden, sondern dass sich viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene derzeit in der Pandemie mit Lockdown, Kontaktbeschränkungen und Homeschooling so verhalten, Probleme haben und vielleicht den Mut verlieren. Denn sie alle haben Ängste. "Viele machen sich Sorgen, ob sie in der Schule wieder gut mitkommen, wenn der Unterricht normal anläuft, sogar diejenigen, die eigentlich gut in der Schule sind", sagt Herrmann. Etliche hätten aber auch allgemeine Zukunftsängste und fragen sich, ob es jemals anders werden wird als in Pandemie-Zeiten und verlieren jegliche Perspektive.


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Nicht entmutigen lassen

Oberärztin Ursula Böhm rät: "Sagen Sie ihrem Kind, dass sein Verhalten normal und nicht ungewöhnlich in dieser Zeit ist." Auch sollten Eltern sich nicht gleich entmutigen lassen, wenn das Kind oder der Jugendliche erst mal dicht macht, bockig ist und ein Gespräch verweigert. "Versuchen Sie es immer wieder, auf das Kind zuzugehen. Und wenn sich gar nichts tut, dann suchen Sie professionelle Hilfe!"

Aktivitäten vorschlagen

"Bemühen Sie sich, Ihre Kinder zu aktivieren, wenn sie sich zu nichts mehr aufraffen können", sagt Ursula Böhm. Denn sie brauchen Unterstützung von außen, weil sie noch keine Strategien haben, sich von selbst aus dieser Lage und ihren negativen Gefühlen zu befreien. Eltern können also Angebote für Aktivitäten machen, auch mal andere Eltern ansprechen und – im Rahmen des Erlaubten – eine Verabredung für ein Treffen mit einem anderen Kind draußen ausmachen. Wichtig ist, dass Eltern nicht einfach nur sagen: "Jetzt mach doch mal", sondern auch ihre pubertierenden Kinder beim ersten Schritt begleiten, selbst wenn sie denken, sie seien schon zu alt dafür. "Denn es ist ein Teufelskreis: Wenn man nichts macht, hat man noch weniger Lust etwas zu unternehmen. Umgekehrt macht es wieder Lust, aktiv zu werden, wenn man die positive Wirkung einer Unternehmung spürt", sagt Herrmann. Dadurch bauen Kinder ihr Selbstwertgefühl wieder auf und überwinden ihre Ängste.

Professionelle Hilfe suchen

Wenn Eltern in all ihren Bemühungen nicht weiterkommen, sollten sie sich – je nachdem, wie gravierend die Auffälligkeiten sind – professionelle Hilfe holen. Ansprechpartner sind Kinderärzte, Erziehungsberatungsstellen, niedergelassene Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendpsychiater. Außerdem gibt es ambulante Angebote in psychiatrischen Kliniken. Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Kind keinen Lebensmut mehr hat, sollten sie sich unbedingt an eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie wenden.


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Kathrin Herrmann und Ursula Böhm beobachten auch in ihrer Klinik, dass viele junge Patienten mit Ängsten, Zwängen und depressiven Verstimmungen kommen. Andere Kliniken sehen auch eine Tendenz zunehmender Anorexien, also Magersucht-Erkrankungen. Besonders gefährdet sind allgemein Kinder und Jugendliche, die es sowieso schon schwer haben und benachteiligt sind, weil ihr Elternhaus ihnen wenig Hilfestellung geben kann.

Ansprechpartner für Kinder, Jugendliche und Eltern mit Sorgen: Kinder- und Jugendtelefon: 116 111, Online-Beratung unter www.nummergegenkummer.de

Elterntelefon: 08 00 / 111 0 550

Krisendienst Mittelfranken:

Telefon 08 00 / 655 3000, online unter www.krisendienst-mittelfranken.de

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