Gewagte Bergtour ins Klangmassiv

17.3.2019, 19:28 Uhr
Gewagte Bergtour ins Klangmassiv

© Foto: Martin Sigmund

Im Grunde fasste Gustav Mahler in diesen sechs Sätzen das musikalische 19. Jahrhundert zusammen: Kunst- und Volksmusik, Kontrapunkt und Marschrhythmik, rustikale Ländlerseligkeit und archaischer Hymnus — das emulgiert zu einer Jahrhundertbilanz.

Wie Klaus Meyer ganz richtig im Programmheft anmerkte: Die Dritte ist sicher die theatralischste aller Mahler-Sinfonien und ihre Sätze ähneln ganzen Opern-Akten. Es findet sich Freude an der Schöpfung, genauso aber auch eine gewisse Zukunftsangst (wir stehen vor der Wende zum 20. Jahrhundert) und damit eine gute Portion Mahler-typischer neurotischer Verunsicherung.

Nicht nur Bombast

Und das alles versehen mit einem instrumentalen Bombast, der schier durch die akustische Masse beeindruckt. Allerdings nicht in der Art faschistischer, oft nur verblendeter Monumentalarchitektur, sondern in vollem Bewusstsein beim Einsatz der vielfältigen Mittel.

Größer hat man die Symphoniker selten gesehen und eigentlich müsste man jedes Mitglied namentlich nennen. Stellvertretend seien hier nur die brillante Solo-Trompete von Matthew Browne, die beherzten Soli von Konzertmeisterin Tetyana Gapeyeva, die von Matthias Nothhelfer angeführte Hörner-Reihe und die achtungsbietende Percussions-Truppe genannt.

Die aus Berlin herbeigeeilte Marina Prudenskaya beschwor mitten aus dem Orchester heraus und mit abgründigem Alt die Nietzsche-Weisheit, dass "alle Lust Ewigkeit" wolle und die Mädchen und Damen vom Lehrergesangverein stimmten dazu glockengleich das etwas naiv scheinende "Bim bam" an (Einstudierung: Klaus Bimüller und Tarmo Vaask).

Als Meister der Koordination und Disposition zeigte sich Chefdirigent Kahchun Wong, der "seinen" Mahler inhaliert zu haben scheint. In der I. Abteilung forderte er durchaus grelle Überzeichnungen und dynamisches Muskelspiel ein. Aber das machte den Kontrast zum bewegend schönen Finalsatz umso schärfer.

Wong hat nicht nur den Überblick für die Langstrecke, sondern er achtet auch aufs Detail. Man verzeihe den schlechten Wortwitz: Aber Wongs Mahler ähnelt der Arbeit an einer Staffelei, er malt konsequent mit den Klangfarben und Konturen, selbst wenn er an Grenzen gelangt, wo es wehtut.

Einige freie Plätze bei den beiden Aufführungen in der Meistersingerhalle zeugten von der Scheu, sich 100 Minuten obsessiver Musik auszusetzen. Die Anwesenden jedoch dankten den 160 Ausübenden lautstark und frenetisch.

Nächstes Symphonisches Konzert: 7. April, mit Vivi Vassileva (Schlagzeug) und Dirigent Dmitri Jurowski; Karten: Telefon 09 11 / 2 16 27 77.

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