Landesausstellung Bayern

Götterdämmerung: Sehenden Auges in die Katastrophe

22.6.2021, 16:02 Uhr
Blick in die Bayerische Landesausstellung 2021 „Götterdämmerung II – Die letzten Monarchen“ im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. 

© Uwe Moosburger/altrofoto.de Blick in die Bayerische Landesausstellung 2021 „Götterdämmerung II – Die letzten Monarchen“ im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. 

Was haben uns heute fast vergessene Figuren wie Prinzregent Luitpold oder König Ludwig III. zu sagen? Eine Menge, wie der Besuch der Landesausstellung "Götterdämmerung II. Die letzten Monarchen" in Regensburg eindrucksvoll belegt.

Vor allem das kollektive Versagen der damaligen Führungseliten beunruhigt. Obwohl über verwandtschaftliche Bande eng verflochten, zogen die Monarchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehenden Auges in den Ersten Weltkrieg.

Auch die wachsende Mobilität ist Thema in der bayerischen Landesausstellung. 

Auch die wachsende Mobilität ist Thema in der bayerischen Landesausstellung.  © Michael Husarek, NN

"Es gibt immer eine Alternative"

"Ich habe ein bisschen Angst, wenn ich auf die damalige Beschwörung der angeblichen Alternativlosigkeit zurückblicke", räumt Richard Loibl, Leiter des Hauses der bayerischen Geschichte, unumwunden ein. Denn diese Vokabel, von Bundeskanzlerin Angela Merkel 100 Jahre später in gänzlich anderem Zusammenhang geprägt, sei niemals zutreffend: "Es gibt immer eine Alternative", betont der Historiker Loibl.

Damals, als Bayern noch von den Wittelsbachern regiert wurde, hätte diese Alternative schlicht darin bestanden, miteinander zu reden. Genau das unterließen die Akteure und gingen somit ihrem Untergang entgegen. Passenderweise beginnt und endet die Ausstellung, die ursprünglich in Schloss Herrenchiemsee zu sehen sein sollte, wegen der Pandemie nun aber in Regensburg gezeigt wird, mit einem Begräbnis. Der Tod Ludwig II., des bayerischen Märchenkönigs, im Jahr 1886 markiert den Einstieg, der Tod Ludwig III. im Jahr 1921 das Ende der ob ihrer Exponate, aber auch ob ihres Blickes über den Tellerrand beeindruckenden Schau.

Gemälde zeugen ebenfalls von der Geschichte Bayerns. 

Gemälde zeugen ebenfalls von der Geschichte Bayerns.  © Michael Husarek, NN

Sisis Kleider und die tödliche Feile

Wer sich für Herrscherfamilien interessiert, kommt unter Umständen angesichts zweier Originalkleider von Sisi ins Verzücken und mit Blick auf die Feile, mit der die Kaiserin am Genfer See erstochen wurde, ins Schaudern. Wer sich für Zusammenhänge interessiert, der bleibt wohl gleich am Beginn des Rundgangs hängen. Da verkörpern vier Büsten die neuen Zeiten, die Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur in Bayern längst angebrochen waren: Der Philosoph Friedrich Nietzsche, der Kapitalismuskritiker Karl Marx, der Arzt Siegmund Freud und der Wissenschaftler Albert Einstein stehen für einen Aufbruch in die Moderne.

Diese nahm auch im Alltag Gestalt an - indem die Mobilität für alle Menschen in ungeahntem Ausmaß erweitert wurde. Nürnberg galt damals als "Pionierstadt der Mobilisierung", zwei Exponate - ein Triumph-Motorrad und ein Victoria-Fahrrad - zeugen davon. "Nürnberg begann damals, die Mitte Europas mit diesen Produkten zu beliefern", hebt Loibl die Bedeutung der Frankenmetropole hervor.

Lieber Thron als Technik

Den bayerischen Monarchen waren die Segnungen der Technik reichlich egal. Sie lebten und regierten weiter, als wäre nichts geschehen. Noch 1913, also ein Jahr vor dem Attentat auf das österreichisch-ungarische Thronfolger-Ehepaar in Sarajevo, feierten sie lieber Thronjubiläen und gaben sich dem Vergnügen hin. Im Stillstand zu verharren, hat sich auf lange Sicht als falsches Mittel erwiesen, um dem rasant voranschreitenden Fortschritt zu begegnen.


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"Ein einziger Gesprächsversuch hätte ausgereicht, um den Wahnsinn zu stoppen", blickt Loibl voller Entsetzen ein Jahrhundert später auf die Larmoyanz der damaligen Eliten zurück und spricht vom einer "absoluten Bankrotterklärung der Führungseliten". Diese seien zwar supranational vernetzt gewesen, doch hätten sie daraus nichts gemacht. Wenige Jahre später waren sie alle verschwunden. Demokratisch waren die Bayern dadurch noch lange nicht, der König war zwar weg, aber die Sehnsucht nach der Monarchie blieb.

Wie ein Staatsbegräbnis

Das Begräbnis von Ludwig III., dessen Leichnam 1921 aus dem Exil nach München überführt wurde, macht das deutlich. Wie bei einem Staatsbegräbnis (genau das hätte es eigentlich nicht geben dürfen) verabschiedeten sich Tausende von Bayern tränenreich von ihrem Ex-König. Das Scheitern der Weimarer Republik kann angesichts dieser Begeisterung nicht überraschen. Eine Demokratie ohne Demokraten hat eine kurze Halbwertszeit.

Die Landesausstellung ist bis 16. Januar im Haus der bayerischen Geschichte zu sehen, geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 9-18 Uhr. Tickets unter www.hdbg.de

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