Gute Nacht, Herr Pachelbel

4.8.2019, 18:02 Uhr
Gute Nacht, Herr Pachelbel

© Foto: Horst Linke

Mit dem Vorspiel aus Richard Wagners "Meistersinger von Nürnberg" eröffnete Kahchun Wong die Konzertreise, die unter das Motto "Europa über alle Grenzen" gestellt war. Mit einer solchen Themenstellung macht man nichts Falsches, schärft aber nicht unbedingt das programmatische Profil. Musikalisch ging es kreuz und quer in alle Himmelsrichtungen des Kontinents – und diese Beliebigkeit schien auch die Übertragungstechnik infiziert zu haben.

Waren am gleichen Standort vor zwei Wochen die Nürnberger Staatsphilharmonie noch mit überzeugender wie sehr differenzierter Klangkultur zu hören, so blieben die Nürnberger Symphoniker beschallungstechnisch in nicht wenigen Momenten den Zuhörern einiges schuldig. Bei dem Solisten des Abends, dem Startrompeter Sergei Nakariakov fiel diese Schwäche noch nicht so ins Gewicht. Seine Bearbeitung der von Tschaikowsky eigentlich dem Cello zugeschriebenen Rokoko-Variationen präsentierte er auf dem Flügelhorn in Bestfor. Dass er eine romantische Schwäche hegt, jede etwas längere Note der Partitur sofort mit einem Vibrato zu veredeln, sei ihm verziehen. Angenehm hob sich in jedem Augenblick sein Ton von einem doch sehr breiig anmutenden Orchesterklang ab.

Wunderkerzen im zweiten Teil

Ein weiteres Glanzstück lieferte der Mann aus Gorki nach der Pause mit Jean-Baptiste Arbans Variationen über den "Karneval in Venedig ab". Ein fürwahr zirzensisches Abenteuer auf der Trompete, bei dem die Salven seiner Arpeggien untadelig aus dem Schalltrichter schossen und ein musikalisches Feuer entfachten, das begeistern konnte.

Doch damit waren die Höhepunkte des Abends schon abgehandelt. Warum man die Zuschauer kommentarlos mit dem Schlachtgemälde von Malcolm Arnolds "Peterloo Ouverture" in die Pause entließ, die auf ein blutiges Kapitel in der Geschichte Englands verweist, blieb ein Rätsel. Oder weshalb der gut gemeinte Versuch, Johann Pachelbels "Kanon in D" hier einmal zur Wirkung kommen zulassen, bereits vor der ersten gespielten Note diskreditiert wurde: Dieses Werk sei eine Musik, die jedermann aus dem Fahrstuhl, vom Flughafen oder dem Besuch einer Shopping Mall her kenne, moderierte man gedankenlos ins Publikum.

Da rettet auch die Darbietung in barocker Stehgeigerkultur nichts mehr. Und fortan wird dieser Kanon auch noch in den digitalen Welten multipliziert, da die Zuschauer aufgefordert wurden, bei der Wiedergabe dieser Musik ein Selfie von sich zu posten. Gute Nacht, Herr Pachelbel.

Zum Glück gab es in der zweiten Hälfte aber doch noch ein paar schöne Augenblicke. Elgars musikalisches Verlobungsgeschenk seines "Salut d’amour" wurde zur Bühne für das traditionelle Wunderkerzenmeer. Der Bayerische Rundfunk, der das Konzert live im Radio übertrug und zeitversetzt auch im Fernsehen ausstrahlt, braucht schließlich emotionale Bilder und eine gute Tontechnik, um die unausgewogene Klangarchitektur, wie sie die Nürnberger Symphoniker in Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" in den nächtlichen Luitpoldhain schickten, zu korrigieren: Nebenstimmen bekamen da durch die Übertragungstechnik plötzlich eine Klangbedeutung, wie sie sicherlich weder Mussorgsky noch Ravel im Sinn hatten.

Das Letzterer, einer der kunstfertigsten Erneuerer der französischen Musik, von der Moderation auch noch zum Spanier erklärt wurde, konnte einem am Ende schon nicht mehr erschüttern.

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