Neue Talkreihe "Lesch sieht Schwartz"

"Humor ist das Allerwichtigste": Astrophysiker Harald Lesch über gute Witze und Panikattacken

13.8.2022, 14:55 Uhr
Astrophysiker und Wissenschaftsmoderator Harald Lesch.

© Tobias Hase/dpa Astrophysiker und Wissenschaftsmoderator Harald Lesch.

Fernsehzuschauer kennen ihn als kundigen Experten, der dem Publikum in der ZDF-Wissensreihe "Terra X" und anderen Sendungen die Geheimnisse des Universums oder den Klimawandel erklärt. Doch der Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch kann auch anders: In der im Juni gestarteten ZDF-Gesprächsreihe "Lesch sieht Schwartz" plaudert Lesch immer an Feiertagen mit dem befreundeten Theologen Thomas Schwartz über Gott und die Welt. Die zweite Ausgabe der Reihe ist an Mariä Himmelfahrt (15. August) zu sehen.

Harald Lesch wurde 1960 in Gießen geboren und ist seit 1995 Professor für Astrophysik an der Universität München. Seine TV-Karriere begann er Ende der neunziger Jahre als Moderator der Sendereihe "alpha-Centauri", es folgten zahlreiche Fernsehauftritte und Auszeichnungen. Harald Lesch ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt mit seiner zweiten Frau in Haar bei München.

Herr Lesch, der Krieg in der Ukraine, die Inflation und explodierende Energiepreise: Auch die zweite Ausgabe Ihrer Feiertags-Talkreihe "Lesch trifft Schwarz" wird von düsteren Entwicklungen überschattet. Machen auch Ihnen schlechte Nachrichten zu schaffen?

Aber klar, nur ein Beispiel: Ich bin vor ein paar Monaten mit meiner Frau auf der Fähre vom italienischen Festland nach Elba gefahren, und auf der Fahrt schaut meine Frau aufs Smartphone und sagt: "Der Putin hat die nuklearen Streitkräfte aktiviert." Da habe ich eine Panikattacke bekommen. Ich wollte sofort nach Hause zurück und habe mich dann zum Glück wieder beruhigt, aber im ersten Augenblick dachte ich, das darf doch nicht wahr sein. Ich konnte anfangs überhaupt nicht einschätzen, was die Aktivierung der nuklearen Streitkräfte bedeutet, und zum Glück haben mich seriöse Medien dann aufgeklärt, dass das eine Prozedur ist, die nicht zwangsläufig zum Atomkrieg führen muss.

Wie schützen Sie sich vor der medialen Überflutung mit Schreckensnachrichten?

Ich habe kein Smartphone und bin relativ wenig online unterwegs, wobei mir schon klar ist, dass man sich das erstmal auch leisten können muss. Aber mir ist es einfach wichtig, der total aufgeregten Gackerei im Internet etwas entgegenzusetzen, diesem Tsunami aus Nachrichten und schlechten Botschaften. Da gilt es Ruhe zu bewahren und sich Orientierung zu verschaffen. Darum geht es auch in unserer Sendung. Mein Bruder sagt immer: Ball flach halten, stabile Seitenlage, Puls sechzig.

Was führt noch zu Hysterie?

Die allgemeine Hetzerei, die in Deutschland herrscht. Wir fahren schnell Auto, reisen schnell, unsere Terminkalender sind auf Kante genäht, um diesen schönen Begriff mal zu verwenden, wir lassen uns ja kaum noch Freiräume. Da muss alles perfekt passen, alles muss schnell gehen – dabei sind doch die wenigsten von uns in der Notfallchirurgie beschäftigt, wenn ich mich nicht täusche. Ich träume von einem Deutschland, wo alle morgens um neun erstmal rechts ranfahren, aussteigen, sich begrüßen und ein Schwätzchen halten (lacht).

Wie hilfreich ist Humor?

Absolut hilfreich, unbedingt! Ein Hahn kommt in einen Hühnerstall, hat ein Straußenei in der Hand und sagt: "Meine Damen, so wird am anderen Ende der Welt gearbeitet." Das ist doch großartig. Humor ist die allerwichtigste Sache, um Situationen aufzubrechen und diesen Ballon, der da aufgeblasen wird, mit einem kleinen Stich platzen zu lassen. Man kann sich auch selber ein bisschen auf den Arm nehmen dabei, wunderbar. Wir sind alle lauter arme, kleine Würstchen, hat Reinhard Mey mal gesungen, recht hat er. Humor ist das Allerwichtigste.

"Lesch sieht Schwartz" läuft immer an Feiertagen. Haben Feiertage heutzutage überhaupt noch eine Bedeutung oder sind sie einfach nur hochwillkommene Brückentage?

Für viele Menschen sind sie in der Tat nur noch Brückentage, fürchte ich. Für andere sind sie aber nach wie vor eine Gelegenheit, mal runterzukommen, innezuhalten. Wir möchten mit unserer Sendung auch für den Feiertag in seiner ursprünglichen Bedeutung werben. Ich denke, dass es ab und zu wichtig ist, einen Sabbat einzulegen. Einfach einen Tag zu haben, wo man nichts macht, wo man sich anders verhält als sonst.

Sie sind bekanntermaßen praktizierender Christ. Gehen Sie regelmäßig in die Kirche?

Wenn mir danach ist und wenn ich weiß, wer predigt, gehe ich in die Kirche. Ich bin ja ein evangelischer Christ und bei uns spielt die Predigt eine große Rolle. Direkt bei mir um die Ecke ist eine katholische Kirche, und da gehe ich auch ab und zu hin, bin dann ganz für mich und stecke für all jene eine Kerze an, die mir etwas bedeuten.

Glaube und Wissenschaft sind für Sie kein Widerspruch. Aber wo hört für Sie die Physik denn auf und wo fängt Gott an?

Ich will es mal so sagen: So wie ich Physik betreibe, ist sie keine Sache Gottes. Aber so wie ich mit den Menschen umgehe und wie ich mit mir und der Welt umgehe, da spielt meine Religion doch eine ganz zentrale Rolle. Was ich als Physiker mit den Mitteln der empirischen Wissenschaft erkennen kann, sind die Gesetze, nach denen die Natur funktioniert. Aber welchen Wert ich der Welt beimesse und nach welchen Werten ich lebe, ist eine Sache der Religion und meines Glaubens.

Sind der Theologe Thomas Schwartz, mit dem Sie die Sendung gestalten, und Sie sich in den meisten Fragen einig?

Wir sind seit Jahren gut befreundet, immerhin hat er mich und meine zweite Frau 2020 in Weimar getraut – unter einem Gingkobaum, den Goethe gepflanzt hat übrigens (lacht). Wir verstehen uns gut, sind aber nicht immer einer Meinung, und das merkt man in der Sendung auch.

Wo hakt's?

Manchmal am Widerspruch zwischen Tradition und Moderne. Er ist in manchen Fragen ein traditioneller Katholik, wo ich mehr auf Seiten der modernen Religionsausübung bin, die mit den Menschen mitgeht.

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