Im Gammler-Look bei «Wünsch Dir was«

21.8.2008, 00:00 Uhr
Im Gammler-Look bei «Wünsch Dir was«

© Günter Distler

Als ich im Winter 1967/68 die Rockband «Ihre Kinder« gründete, waren mir einige Umstände nicht bewusst. Ich wusste nur, dass wir etwas machen mussten, was die Superbands aus den USA und England nicht konnten: Deutsch singen. Durch den kulturellen Einschnitt des Dritten Reiches gab es nichts, woran wir uns hätten orientieren können. Wir wollten keine dämlichen Texte singen, denn immerhin war Bob Dylan ein großer musikalischer Einfluss gewesen.

Englische Texte singen sich leichter

Wenn man, wie ich, jahrelang englisch gesungen hatte, war es fast wie ein Kulturschock deutsch zu singen. Ich war bei den ersten Versuchen so verunsichert, dass ich den Rest der Band aus dem Proberaum schickte. Es ist viel einfacher zu singen «Baby please don’t go« als «Schatz, bitte verlass mich nicht!«

Die Medienlandschaft war damals vergleichsweise karg: Im Fernsehbereich gab es nur ARD, ZDF und die dritten Programme. Jedes Bundesland hatte seinen landesweiten Radiosender und es gab die Tagespresse, Stern, Spiegel sowie jugend-orientierte Musikfachblätter wie Bravo und Musikexpress. Die Radiostationen hatten Programme für deutschen Schlager und für englischsprachige Popmusik. Wo sollte man die Musik von «Ihre Kinder« spielen? Es gab keine Schublade für uns.

«Holpriges Deutsch«

Zu unserem Glück freuten sich einige Kulturredakteure, dass es endlich etwas zu kritisieren gab - unsere unsicheren holprigen Textversuche in deutsch. Spiegel und Stern, beide mit Sitz in Hamburg, erwähnten uns gar nicht. Ganz anders Jahre später bei Udo Lindenberg. Udo lebte eben in Hamburg. Wir dagegen kamen aus dem provinziellen Nürnberg, was sich immer mehr als großer Nachteil herausstellte.

Logischerweise fiel ich aus allen Wolken, als im Spätherbst 1970 ein Herr Behle vom ZDF anrief. Er sei der Produzent der Sendung «Wünsch Dir was« und er hätte gerne «Ihre Kinder« in der Show. Ich war schlagartig hellwach. «Wünsch Dir was« hatte damals einen Stellenwert wie heute «Wetten, dass...«. Die Show wurde von Dietmar Schönherr und seiner Frau Vivi Bach moderiert und kam durch kleine Skandale immer wieder in die Schlagzeilen. Eine Familiensendung der etwas progressiveren Art am Samstagabend.

Herr Behle gab mir eine Telefon-Nummer vom ZDF in Mainz, mit dem Hinweis, ich solle sagen, die Produktion wolle mich und ich solle meine Gagenforderung stellen. «Was kann man denn so verlangen?« wollte ich wissen, denn ich hatte überhaupt keine Vorstellung. «Was hätten Sie denn gern?« fragte er zurück. «Wären 8000 Mark zu viel?« hörte ich mich mutig sagen. «Das ist aber die Grenze, bleiben Sie auf dem Teppich. Bis bald!« Wir bekamen diese Gage, die höchste, die «Ihre Kinder« jemals erhielten.

Unwiderstehlicher Akzent

Anfang Dezember machten wir uns auf den Weg nach Wiesbaden, wo die Proben und die Show stattfinden sollten. Mit von der Partie waren die Bee Gees. Sie waren keine Band mehr, hatten die Smoking-Schmuse-Phase eingeläutet und befanden sich kurz vor ihrem Sprung in die USA. Dietmar Schönherr und Vivi Bach waren die Nettigkeit in Person, vor allem der dänische Akzent, mit dem Vivi Bach deutsch lispelte, war unwiderstehlich. Sie nannte uns fortwährend «Ihre Kinderle«, alle Beteiligten lachten viel und wir hatten eine richtig gute Zeit.

Drei Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sollten in Rekordzeit einen im Wohnzimmer aufgestellten Weihnachtsbaum putzen. Wir spielten «Leere Hände« und «Menschen wie Sand am Meer« und sahen aus, wie eine Rockband nun mal aussieht - Sonnenbrille, bunte Hemden, Jeans und lange Haare. Die Bee Gees - wie gesagt - im Smoking.

Wünsch dir was

Die Show lief zwei Wochen vor dem Heiligen Abend. Bereits während unseres ersten Songs, so erzählte mir Vivi Bach kichernd, hätten jede Menge Leute angerufen und sich darüber beschwert, dass man solche Typen wie uns in der Vorweihnachtszeit am Samstagabend im Fernsehen zeige. Wir fanden es geil.

«Wünsch Dir was« war für Provokation bekannt, gestern waren es nackte Busen, heute waren es eben «Ihre Kinder«. Das einzige Mal, dass wir im Stern erwähnt wurden, ein kleines Foto, auf dem wir zusammen mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach, lachend Arm in Arm die Straße vor dem Taunus-Hotel herunterliefen.

Dort fand anschließend die «After-Show-Party« statt. Doch bald holte uns die Realität wieder ein. Es begann damit, dass ein ziemlich großer Typ mit einem Vollmondgesicht anfing, die Familie Schönherr vor versammelter Mannschaft zu kritisieren. Sie sollten bei der Auswahl der Künstler etwas sorgfältiger vorgehen. Die Bee Gees wären super gewesen, schon vom Äußeren her, aber mit dieser Kinder-Band und ihrem schmuddeligen Gammler-Outfit wäre die Grenze des guten Geschmacks wohl deutlich überschritten worden, von der Musik ganz zu schweigen. Die Sendung «Wünsch Dir was« stünde ohnehin auf dem Prüfstein usw. usw.

Wim Thoelkes Attacke

Das Vollmondgesicht wollte sich nicht beruhigen. Ich fand es erstens den Schönherrs gegenüber eine Riesenfrechheit, sie vor versammelter Mannschaft zu maßregeln, und zweitens - wer waren wir? Wir saßen am selben Tisch und mussten uns so die ganze Attacke anhören. Ich wurde richtig wütend, stand auf und verließ mit lautem Türknall den Raum.

Unhöflich, taktlos, ignorant, unsensibel, das war es, was mich auf die Palme brachte. Später stellte sich heraus, dass das Vollmondgesicht einem gewissen Wim Thoelke gehörte, damals ZDF-Programmchef, später Star-Moderator von «Der große Preis«. «Wünsch Dir was« gab es dann leider nicht mehr lang.

Für uns war es gut, in der Show gewesen zu sein. Am Tag nach der Ausstrahlung machten wir auf einer Autobahnraststätte Pause. Während wir drinnen aßen, schrieben uns draußen unzählige Lippenstifte einer Mädchen-Schulklasse lauter nette Sprüche auf unseren Band-Bus, wie zum Beispiel «Ihr seid toll - dürfen wir uns was wünschen?«