Im Schatten des Adlers

26.2.2019, 08:00 Uhr
Im Schatten des Adlers

© Mike Beims

Eine Untersuchung soll klären, welche Geheimnisse der Wagen birgt: Am 7. Dezember 1835 eröffnete die Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Dampfeisenbahn. Zumeist wird mit diesem Ereignis die längst verschollene Lokomotive Adler verbunden, die den Eröffnungszug zog und die jedes Kind kennt. An die Wagen hinter der Lok denkt kaum jemand, obwohl mit dem Wagen Nr. 8 noch ein originales Fahrzeug existiert.
Seit 1925, als das heutige DB Museum in der Lessingstraße seinen Neubau eröffnete, steht der Wagen als Dauerleihgabe in der Ausstellung. Der Leihgeber, das Germanische Nationalmuseum, hatte das Fahrzeug 1877 als Schenkung zweier Gönner direkt von der Ludwigsbahn in sein Depot überführt.
In den letzten 184 Jahren erfuhr der Wagen eine Vielzahl von Veränderungen. Jetzt soll genau geprüft werden, wie echt und alt das Fahrzeug wirklich ist. Das Forschungsprojekt ist eine Objekterkundung, eine Spurensuche. Denn in dem Zustand, wie sich der Wagen Nr. 8 heute präsentiert, ist er weder 1835 noch in den folgenden Jahrzehnten zwischen Nürnberg und Fürth gefahren. 
Bereits während seines Einsatzes waren immer wieder Reparaturen und bauliche Veränderungen nötig gewesen. Als 1877 seine Betriebszeit endete und die Museumszeit des Wagens begann, vermerkte der Geschäftsbericht eine Fahrleistung von über 600.000 Kilometern. Seitdem befand er sich in Depots und Ausstellungen, überstand, wenn auch reparaturbedürftig, zwei Weltkriege samt Auslagerung. 1960, zum 125. Geburtstag der deutschen Eisenbahn, erfolgte für Fernsehaufnahmen seine Reaktivierung. Zum 150. Bahnjubiläum 1985 fand die bislang letzte Aufarbeitung statt. Das ist viel Wandel für ein Museumsobjekt und jedes Ereignis hinterließ Spuren.
Da es insbesondere aus der Zeit nach 1877 nur wenige Aufzeichnungen über die Veränderungen am Wagen Nr. 8 gibt, sind neben Archivstudien vielfältige Untersuchungen an diesem selbst erforderlich. Was verraten die Lackschichten? Warum ist der Bezugsstoff der Sitze so untypisch dünn und abgenutzt? Gibt es Nut- und Federholz, wie das der Abteilwände, nicht erst seit den 1920er Jahren? Wie alt sind die Fußbodenbretter? Wo sind die Fensterriemen geblieben, die noch auf einem Foto von 1925 zu sehen sind? Es bedarf einer Reihe von Fachleuten, um solche Fragen zu klären: So befinden sich vom Fachingenieur für technisches Kulturgut, über Holztechnologen, verschiedene Restauratorinnen, Denkmalpfleger und Museologinnen bis hin zu Historikerinnen und Historikern zurzeit viele Menschen auf der Suche nach Antworten. 
In gut einem Jahr soll ein Buch über die Ergebnisse Auskunft geben. Dann wissen wir mehr darüber, wie alt der Wagen und seine Teile wirklich sind, und warum er so aussieht, wie er heute im Museum steht. Gemeinsam mit den Besucherinnen und Besuchern können wir dann die Spuren am Fahrzeug lesen und überlegen, welche Geschichten sie über seinen Werdegang erzählen.

Im Schatten des Adlers

© DB Museum, Graef Medien

Verwandte Themen


Keine Kommentare