"Isola" am Staatstheater Nürnberg: Es gibt Tote

22.2.2021, 12:08 Uhr
Aus Angst vor dem unbekannten Mörder schließt sich in "Isola" eine Festgesellschaft selbst ein. Szene mit Lou Strenger (li.) und Janning Kahnert (re.).

© Konrad Fensterer / Staatstheater Nürnberg Aus Angst vor dem unbekannten Mörder schließt sich in "Isola" eine Festgesellschaft selbst ein. Szene mit Lou Strenger (li.) und Janning Kahnert (re.).

Auf echte Theateratmosphäre müssen Schauspieler und Publikum sicher noch eine weitere Weile warten. Doch die zeitweilige Zwangsschließung zeitigt mancherorts innovative Inszenierungen. Etwa beim Nürnberger Schauspiel.

Eigentlich sollte „Isola“, ein Stück des Hausautors Philipp Löhle, schon im vergangenen Dezember auf die Bühne kommen. Nun ist es im Rahmen der Digital-Strategie des Staatstheaters für jedermann online zu erleben – in einer speziellen Filmfassung (wir berichteten).


Das Staatstheater Nürnberg baut seine Digital-Strategie aus


Als Autor spüre er durch die momentanen Einschränkungen keine großen Unterschiede, sagt Löhle. Schließlich arbeite er immer für sich allein im stillen Kämmerchen. Dass gerade die ganze Familie im Haus sei, mache es lediglich etwas schwieriger, beim Schreiben in den richtigen Flow zu kommen, lacht er.

Künstlerische Reaktion auf die Krise

„Der Job beziehungsweise das, was mich interessiert, bleibt aber mit der Pandemie ungefähr gleich“, erklärt der 42-jährige Berliner. Als Dramatiker versuche er, von außen auf gesellschaftliche Phänomene zu schauen, zu untersuchen, „wie die Ameisen um einen herum funktionieren, zu denen man ja selbst gehört.“

Insofern sei Corona – etwa neben Alltagsrassismus, Kapitalismus oder dem Verhältnis der Geschlechter – ein weiteres brisantes Thema. Mit dem einen Unterschied: Es betrifft alle.

So ist im Auftrag des Theaters das Stück „Isola“ entstanden, das Löhle als künstlerische Reaktion auf die Krise versteht. In der Inszenierung von Schauspielchef Jan Philipp Gloger hat es am 26. Februar Online-Premiere.

In einem deutschen Wohnzimmer wollte Löhle seine Geschichte gleichwohl nicht spielen lassen. „Ich will im Theater ja auch nicht eins zu eins die Situation vorgeführt bekommen, die ich schon von daheim oder von den Nachbarn kenne“, betont er. Wie also über die Krise schreiben, ohne sie direkt zu beschreiben?


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Auf der Suche nach dem Allgemeingültigen wählte Löhle die satirische Groteske und verortete sie im Jahr 1838, in die Zeit des Biedermeier, der für Dekadenz und den Rückzug ins Private steht. Alles dreht sich um einem jungen Adeligen, der sich nach dem Tod seines Vaters endlich selbst als Graf bezeichnen darf. Anlass genug, um im Schloss ein Fest zu geben.

Esoterik und Angst vor dem Bösen

Während der Feier stirbt zuerst ein Poet. Er bleibt nicht der einzige. Aus Furcht vor einem unbekannten Mörder schließt sich die Partygesellschaft ein und hofft, dass der Spuk vorübergeht.

Auf einer zweiten Ebene trifft ein Jugendfreund des frischgebackenen Grafen auf die disparate Gruppe und taugt ihr prompt als Täter. Sein Schicksal, soviel sei verraten, ist grausam.

Isola wurde auch von der Schauerromantik Edgar Allan Poes inspiriert.

Isola wurde auch von der Schauerromantik Edgar Allan Poes inspiriert. © Konrad Fensterer / Staatstheater Nürnberg

Im Stück ist die Wissenschaft ebenso präsent wie die Esoterik und die Angst vor dem Bösen. Inspirieren ließ sich der Autor unter anderem von der Schauerromantik Edgar Allan Poes, August Klingemanns satirischen „Nachtwachen“ und dem Horror-Filmemacher George A. Romero („Die Nacht der lebenden Toten“).

Theater als Filmprojekt

„Ich mochte diese Stimmung, sie springt einen theatral sofort an“, sagt Löhle. Auch der „Traum versus Realität“-Topos und der Natur-Bezug der Romantik, an deren Ende die Biedermeierzeit steht, faszinierte ihn.

Der Text ist dabei anders als üblich nicht vor der Produktion des Stücks, sondern parallel zum Bühnenbild entstanden. Immer wieder habe es Absprachen mit dem Regisseur gegeben. Für Löhle, der sich „zum Schreiben gerne einigelt“, sei es eine ganz neue Arbeitserfahrung gewesen.

Zudem hat der Videospezialist Sami Bill aus dem Stück ein Filmprojekt gemacht. „Keinen Spielfilm“ betont der Autor, und auch kein gestreamtes Theaterstück, sondern ein „Gesamtkunstwerk“, in dem die Inszenierung erhalten geblieben sei.


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Die Gefahr, dass unsere Gesellschaft durch die Pandemie und den Lockdown in eine neue Biedermeierlichkeit fällt, sieht Löhle bei all dem nicht. „Es handelt sich aktuell ja um keinen freiwilligen, sondern einen erzwungenen Rückzug ins Private. Im besten Fall regt er zum Nachdenken über unsere Freiheiten an.“

Uraufführung am 26. Februar, 19.30 Uhr, auf Youtube, wo „Isola“ 48 Stunden zur Verfügung steht, sowie am 23. März. www.staatstheater-nuernberg.de

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