Jeder sucht auf seine Weise: "Narziss und Goldmund"

11.3.2020, 19:25 Uhr
Jeder sucht auf seine Weise:

© Foto: Sony

Es gab einmal eine Zeit, in der sollte man seinen Hesse, zumindest den "Steppenwolf" oder "Siddhartha", gelesen haben, um im Freundeskreis mitreden zu können: In den 60er und 70er Jahren gehörte der Literaturnobelpreisträger zu den meistgelesenen Autoren der Jugend, selbst wenn man von den spirituell bis esoterisch durchdrungenen Geschichten damals nur die Hälfte verstanden hat. Dass sein Erbauungsstück "Narziss und Goldmund" von 1930 über die Freundschaft und Liebe zweier Männern nun fürs Kino adaptiert wurde, wäre dem Schriftsteller womöglich nicht recht gewesen. Man sagt, er mochte Filme nicht.

Den österreichischen Regisseur und Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky ("Der Fälscher") interessierte die erzählerische Fülle des historischen Romans, dessen Geschichte sich über viele Jahre spannt, nicht zu Unrecht: Irgendwann im Mittelalter wird der kleine Goldmund von seinem Vater ins entlegene Kloster Mariabronn gebracht, wo sich der ältere Novize Narziss um ihn kümmert. Die beiden ganz unterschiedlichen Charaktere werden schnell zu engen Freunden, die sich wie zwei Leibnizsche Monaden ergänzen. Während Narziss (Sabin Tambrea) ein braver, strebsamer junger Diener Gottes ist, lockt den munteren Goldmund (Jannis Niewöhner), dessen ganzes Leben vom Verlust der Mutter geprägt sein wird, das Abenteuer.

Auf der Suche nach Erfüllung und Sinn schlagen die beiden gegensätzliche Wege ein. Narziss wird als Abt dafür sorgen, dass sich im Kloster nichts verändert, der sinnliche Heißsporn Goldmund wählt ein bewegtes Künstler- und Landstreicherdasein, das die Freiheit (und die Frauen) über alles stellt.

Die Entwicklung des ungleichen Duos, das sich am Ende unter dramatischen Umständen wieder begegnet, wäre fraglos spannender Stoff auch für die Leinwand. Doch Regisseur Ruzowitzky spielt die Klaviatur des Melodramas und setzt vor allem auf die emotional effektvollen Momente der in vielen Rückblenden erzählten Geschichte. Oft wechselt sein Film von der Idylle direkt zum großen Drama und wieder zurück. Graustufen dazwischen interessieren kaum.

So mündet etwa Goldmunds romantische Liebesbeziehung mit einem Dienstmädchen auf der sonnenbeschienenen Mohnblumenwiese in blutige Gewalt, seine strahlende Karriere als Holz-Bildhauer endet mit einem derben Rauswurf, und sein Meisterwerk, ein an Kitsch kaum zu überbietender Marienaltar, geht dekorativ in Flammen auf.

Überhaupt sind Kitsch und Pathos reichlich vorhanden – und werden zu allem Überfluss noch mit schwülstigem Soundtrack angereichert. Inszeniert ist das alles entweder vor eindrucksvoller Landschaft oder in aufwändiger, blitzsauberer Kulisse, in der sogar Schmutz und Armut gut aussehen. Dazu passt, dass in dem mit Matthias Habich, Uwe Ochsenknecht und Jessica Schwarz auch in den Nebenrollen namhaft besetzten Film die Hauptfiguren von makellos schönen Menschen gespielt werden. Jannis Niewöhner ist als Goldmund mit definiertem Superbody geradezu hip und zieht sich entsprechend oft aus. In all dieser Aufgeräumtheit ist es ein Pluspunkt, dass Ruzowitzky subtil in der Schwebe hält, wie weit die Liebe zwischen Narziss und Goldmund geht – ebenso wie die keck erfundene Randnotiz, dass Hieronymus Bosch eine Frau war. . . (110 Min.)

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