Konzert der Staatsphilharmonie: Ein Ereignis dank Mallwitz

25.10.2020, 15:35 Uhr
Präzise und doch mit viel Spielfreude beim Dirigieren: Das sind Markenzeichen der Nürnberger Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz.

© Simon Pauly, NNZ Präzise und doch mit viel Spielfreude beim Dirigieren: Das sind Markenzeichen der Nürnberger Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz.

Zwei Mal fand das 1. Philharmonische Konzert hintereinander statt, aus Coronagründen vor jeweils 500 Zuschauern. Optimisten mag sich da die Möglichkeit einer Insel in den rauen Wettern der Pandemie aufgetan haben. Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz machte dem Publikum der Meistersingerhalle in ihrer Begrüßung entsprechend Mut und versicherte den Besuchern, sich „am derzeit sichersten Ort überhaupt, nämlich im Konzertsaal“ aufzuhalten.


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Da war der Offene Brief der bayerischen Theater an Markus Söder gerade ein paar Stunden alt. Er klingt anders; aus ihm spricht die Angst der Häuser, dass bei Söders „dunkelroter“ Corona-Warnampel mit lediglich noch 50 erlaubten Besuchern pro Veranstaltung die aktuellen Spielkonzepte der Theater mit jeweils 200 bzw. 500 Zuschauern Makulatur wären. Und damit diese junge, mit erschwerten Bedingungen kämpfende Spielzeit erstickt, die Insel der Hoffnung rasch überflutet würde.

So schärften die prekären Umstände dieser Tage das Bewusstsein für die außerordentliche musikalische Qualität dieses Konzerts. Die düstere, unheildrohende Atmosphäre des Beginns von Mozarts d-Moll Klavierkonzert KV 466 erschloss sich ganz unmittelbar.


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Mallwitz öffnete mit den Musikern der Staatsphilharmonie die Tore weit zu den dunklen Seiten Mozarts, die man etwa aus „Don Giovanni“ oder seiner späten g-Moll Sinfonie kennt. Dank Gabriela Montero am Flügel entwickelte sich mit dem Orchester ein opernhaft plastischer Dialog, der vom hervorragenden Improvisationstalent der Venezolanerin profitierte.

Denn Mozart hat ja auch in seinen Instrumentalwerken opernhaft gedacht. Und die Aufführung dieses Klavierkonzerts evozierte sogar eine Art Handlung: Im Kopfsatz repräsentierte Montero mit farbig leichtem Zugriff und vitaler Tempogestaltung das seelisch unverletzte, lediglich von außen bedrohte Individuum. In der Romanze kommt es zur harten Konfrontation dieser beiden Welten, bevor im finalen Allegro die Bedrohung ins motivische Material der Solistin eingedrungen ist.


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Man wurde hier also Zeuge einer Art musikalischen Infektion: Angst und Bedrohungsgefühle können ansteckend sein und die Innenwelt verheeren. Das Gegengift wurde in der Zugabe verabreicht: Montero improvisierte mit erstaunlichem Einfallsreichtum über das „Freude“-Thema aus Beethovens Neunter. Eine Art musikalischer Hoffnungsfunke war das.

Der wurde von Mallwitz nochmals verbal verstärkt: Vor „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ erinnerte die Generalmusikdirektorin anhand der leidensvollen Entstehungsumstände von Bela Bartóks zentralem Werk aus dem Jahr 1936 daran, dass viele Generationen vor uns größere Krisen als Corona zu meistern gehabt hätten.


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Mallwitz nutzte die Umbauphase, um die Finessen von Bartóks formstrenger, eigenwillig Neoklassik, 12-Ton-Musik und Folkloristik kombinierender Komposition in einer Art improvisierten „Expeditionskonzert“ zu erläutern. Dieses von Mallwitz entwickelte und sehr beliebte Format kam so erfrischend und bereichernd rüber, dass die eigentliche Aufführung danach fast wie eine asketische Meditation wirkte.

Hochkonzentriert und auf den Punkt entwickelte die Staatsphilharmonie das musikalische Geflecht aus einer fugenartigen Expedition durch den Quintenzirkel. Rhythmische und chromatische Hürden mussten gemeistert werden, um Bartóks Themen zu befreien, sie schließlich in universeller Weite strömen zu lassen.

Die Möglichkeit einer Insel

Da war sie wieder: die Utopie einer aufatmenden Welt ohne Corona, die Möglichkeit einer Insel. So setzte dieses Philharmonische Konzert ein Licht der Hoffnung. Das Bewusstsein um die kommenden Wochen der dunklen Jahreszeit lässt es umso gefährdeter – und deshalb umso wertvoller – erscheinen.

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