Konzerte in leerem Saal: Feuchtwanger Sopranistin im Interview

6.5.2020, 11:28 Uhr
Konzerte in leerem Saal: Feuchtwanger Sopranistin im Interview

© Foto: Gisela Schenker/PR

Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen, daß alles für Freuden erwacht. . .": Gerade hatte die Sopranistin Christiane Karg mit viel Empathie die letzten Zeilen aus dem vierten Satz von Mahlers 4. Sinfonie gesungen, die letzten Töne des Orchesters verklangen – und eigentlich hätte in der Berliner Philharmonie nun der Applaus aufbranden müssen, hätte jemand der aus Feuchtwangen stammenden Solistin Blumen überreichen müssen.


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Und überhaupt hätte das 30. Europakonzert der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko am 1. Mai nicht zu Hause, sondern in großer Besetzung in Tel Aviv stattfinden sollen. . . Hätte. Doch in Coronazeiten ist alles anders – Karg stand mit kammermusikalischer Besetzung und auf Abstand in einer ansonsten leeren Konzerthalle auf der Bühne. Klassik-Fans konnten wenigstens via Live-Stream dabei sein (zu sehen in der ARD-Mediathek bis 31. Mai).

Stream aus dem Wohnzimmer? Lieber nicht

Was für ein Gefühl ist das, so ganz ohne Publikum aufzutreten? "Eine große Ehre für mich und ein wichtiges Signal in dieser Zeit: Wir musizieren!", hatte Christiane Karg vor dem Konzert auf Facebook geschrieben. "Ja, erst mal war ich überglücklich, dass ich überhaupt wieder singen konnte", betont die aufgeschlossene 39-Jährige wieder zu Hause in Feuchtwangen am Telefon. "Viele machen in diesen coronabestimmten Zeiten Streaming. Für mich kommt das nicht in Frage, ich möchte nicht zu Hause sitzen und vor der Kamera singen", sagt sie.


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Wenn man dann die Chance bekomme, bei so einem Konzert aufzutreten, wenn auch nicht in Tel Aviv, dann sei man schnell wieder drin. Die Vorbereitungen für den Auftritt liefen, jemand von der Maske kam – mit Maske – und schminkte sie. "Dann ziehst du dein Kleid an, und ein bisschen ist es wie immer." Aber eben nur ein bisschen. Störend war für die vielfach ausgezeichnete Sopranistin nicht so sehr die leere Halle, solche Situationen kennt der Profi schließlich von Proben. Insofern sei der unbelebte Saal für die Zuschauer am Bildschirm sicher ungewöhnlicher gewesen als für die Künstler.

"Das Schlimmste war für mich der Nicht-Kontakt zu den anderen Musikern, dass keine Kantine offen hat, und man sich nicht nach einer Probe oder dem Auftritt besprechen konnte. Jeder zieht die Maske über, man nickt sich zu und geht nach Hause", sagt die Künstlerin. "Die Interaktion, die unseren Beruf ausmacht, ist zurzeit durchaus gestört."

Applaus fehlt

Natürlich fehlte nach dem Europakonzert auch der Applaus. Nicht nur als Feedback und Wertschätzung vom Publikum, sondern weil man sich durch ihn aus der Rolle der Künstlerin löse, wieder Privatperson werde und die während des Auftritts aufgebauten Emotionen abstreife. Die mussten dann auf der Heimfahrt von Berlin nach Feuchtwangen verarbeitet werden.

Mit ihrem Mann und dem 14 Monate alten Sohn lebt Christiane Karg seit einiger Zeit wieder in der mittelfränkischen Stadt. Dort ist sie als älteste von drei Töchtern eines Konditormeisters direkt neben dem ehemaligen Benediktinerkloster aufgewachsen, in dessen Arkaden heute die Kreuzgangspiele stattfinden. Die Vorstellungen konnte sie vom Kinderzimmerfenster aus verfolgen.

Schon als Kind von Oper geträumt

Und während Michaela, die Zweitälteste, inzwischen vielfach ausgezeichnete Chocolatière ist und die Café-Konditorei der Familie führt und die jüngste Schwester im Hotelfach arbeitet, hat Christiane Karg schon als Kind davon geträumt, Opernsängerin zu werden. "Wir kommen aus einem sehr musikalischen Haus, bei uns wurde sehr viel gesungen und musiziert", erzählt sie. Und der opernbegeisterte Papa hatte sie früh zu den Salzburger Festspielen mitgenommen. "Da hat mich die Leidenschaft gepackt."

Später studierte sie am Salzburger Mozarteum, noch während des Studiums gab sie ihr Debüt bei den Festspielen, wo sie seither immer wieder auf der Bühne stand, unter anderem als Pamina in der "Zauberflöte". Christiane Karg gehörte mehrere Jahre zum Ensemble der Frankfurter Oper. Mit ihrem breiten Repertoire als Opern-, Oratorien-, Konzert- und Liedsängerin ist sie auf den großen Bühnen der Welt gefragt, unter anderem trat sie in der Mailänder Scala und der New Yorker Met, in Wien sowie Frankreich und England auf.

Schwierige Zeit für Künstler

Seit vielen Jahren arbeitet die Feuchtwangerin, die auch ein eigenes Education-Projekt betreut, als freie Sängerin. "Das passt zu mir als Person, ich habe es nie bereut, mich gegen ein festes Engagement entschieden zu haben", sagt sie. Obwohl es für Solo-Selbstständige in Coronazeiten schwierig ist. Leider, und das betont Christiane Karg mit großem Nachdruck, seien die Hilfsangebote längst nicht für alle zugeschnitten. Die meisten, nicht nur Künstler, würden durchs Raster fallen. Da müsse schnell nachgebessert werden.

Ob der geplante Auftritt der leidenschaftlichen Liedsängerin am 3. Juli in Feuchtwangen stattfinden kann – und wenn ja, wie –, wird sich zeigen. Wie verbunden sich Christiane Karg ihrer Heimatstadt fühlt, zeigt sich nicht zuletzt in der Konzertreihe "KunstKlang", die sie dort etabliert hat. Nun ist sie "sehr gern wieder zurückgekommen". "Wenn man lange in den großen Städten unterwegs war, sehnt man sich wieder nach Ruhe und dem Land". Mit Kind sei das ohnehin etwas ganz anderes. "Und so schlecht wie ich das früher vielleicht empfunden habe, ist es gar nicht", sagt sie augenzwinkernd. "Ich habe meine Wurzeln hier und kann Kraft tanken."


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