Kultur trotz(t) Corona: Künstler gestalten Plakatwände in Nürnberg

20.5.2020, 22:10 Uhr
Corona engt uns ein: Den aktuellen Alltag hat das Künstlerpaar Kasia und Olaf Prusik-Lutz (hier mit seinen Kindern und Kulturbürgermeisterin Julia Lehner) auf einer Plakatwand in der Bahnhofstraße illustriert. Weitere Künstlerinnen und Künstler haben ebenfalls Plakatflächen der Stadtreklame in Nürnberg gestaltet.

© Foto: Michael Matejka Corona engt uns ein: Den aktuellen Alltag hat das Künstlerpaar Kasia und Olaf Prusik-Lutz (hier mit seinen Kindern und Kulturbürgermeisterin Julia Lehner) auf einer Plakatwand in der Bahnhofstraße illustriert. Weitere Künstlerinnen und Künstler haben ebenfalls Plakatflächen der Stadtreklame in Nürnberg gestaltet.

Es hat eine Weile gedauert, aber inzwischen ist es auch in der Öffentlichkeit angekommen, dass die Kultur und ihre Akteure mit am heftigsten von der Coronakrise betroffen sind. Ausstellungen fallen weg, verkauft wird wenig, Auftritte wurden abgesagt, Honorare bleiben aus. Viele versuchen via Streaming wenigstens online mit ihrem Publikum in Kontakt zu bleiben. Aber Hand aufs Herz: die Live-Präsenz ist einfach nicht zu ersetzen. Deshalb werden Projekte wie "Back to Live" oder "Kultur vor dem Fenster", die in Nürnberg und Fürth honorierte und teils städtisch organisierte Mini-Konzerte in Hinterhöfen und privaten Gärten ermöglichen, gern in Anspruch genommen.

Vor allem für bildende Künstlerinnen und Künstler hat das Projektbüro der Stadt Nürnberg – zuständig unter anderem für die in diesem Jahr abgesagten Großveranstaltungen Blaue Nacht, Bardentreffen und Klassik Open Air – nun ebenfalls eine Live-Aktion ins Leben gerufen. Und die Folgen dieses "Kunst-Anschlags" im öffentlichen Raum sind jetzt überall sichtbar.

Insgesamt 60 ganz unterschiedliche Protagonistinnen und Protagonisten der Szene wurden eingeladen. 20 von ihnen haben sich bereits auf einigen der riesigen, derzeit kaum genutzten und deshalb blütenweißen Plakatwänden der Stadtreklame ausgetobt. Sie gestalteten die freien Flächen mit Malerei, Fotografie und Materialbildern, aber auch mit Wortkunst und Karikaturen.

Jedes Werk hat bei diesem Public Viewing der künstlerischen Art für zehn Tage seinen großen öffentlichen Auftritt. Danach wird gewechselt. Drei Staffeln sind bis Ende Juli entsprechend der Auftragslage der Stadtreklame an wechselnden Orten geplant. Von einer "aufsuchenden Kulturarbeit unter Berücksichtigung der Hygienebestimmungen", spricht Nürnbergs neue Kulturbürgermeisterin Julia Lehner. Und weniger theoretisch: "Wir bringen Kunst zu den Menschen." Sinnvoll eingesetzt worden seien dafür Werbemittel, die durch die ausgefallenen Großveranstaltungen frei wurden.

"Schöne Art, Präsenz zu zeigen"

Die kommen nun direkt bei den Künstlern an. Sie erhalten jeweils 450 Euro plus eine Materialpauschale für ihre öffentliche Arbeit. Bis Montag zeigt nun etwa Aja von Loeper eine Arbeit in der Brückenstraße, Gymmicks Werk ist in der Köhnstraße zu sehen und Inge Gutbrods Kunst in der Mühlhofer Hauptstraße südlich von Reichelsdorf. Der Bethang-Erfinder Karsten Neumann und die Maler Dan Reeder und Jan Gemeinhardt sind ebenso dabei wie der Materialkünstler Dashdemed Sampil und Poetry-Slammer Lucas Fassnacht.

"Es ist eine schöne Art, Präsenz zu zeigen", sagt der Künstler Olaf Prusik-Lutz über die "coole" Aktion. Gemeinsam mit seiner Frau Kasia hat er die Plakatwand am Marientunnel in der Bahnhofstraße in ein temporäres Kunstwerk verwandelt. Die beiden beziehen sich in ihrer Schwarzweiß-Arbeit auf die aktuelle Lebenswelt. Wie hineingefaltet in den vorgegebenen Alltagsrahmen wirken die beiden sichtlich gelangweilten Figuren, die nach Abstand streben – und übrigens die Künstler selbst darstellen sollen. "Szenen einer Ehe mit zwei großen Egos", kommentieren die beiden ihr Werk augenzwinkernd.

Dass es bald wieder verschwinden wird, nehmen sie sportlich: "Das Bild lebt von der Dokumentation", sagt Olaf Prusik-Lutz. Jemand hat ihm während der Arbeit daran fünf Euro in die Hand gedrückt. "Macht weiter so", meinte er. Dem kann man sich nur anschließen.

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