Kulturhauptstadt 2025: Man muss auch an die Kosten denken

19.10.2020, 17:31 Uhr
100 Millionen Euro Kosten scheinen eine stolze Summe für den Kulturhauptstadttitel zu sein. Doch man könnte dieses Geld nicht einfach für etwas anderes ausgeben, wenn Nürnberg das Rennen nicht macht.

© Daniel Karmann, dpa 100 Millionen Euro Kosten scheinen eine stolze Summe für den Kulturhauptstadttitel zu sein. Doch man könnte dieses Geld nicht einfach für etwas anderes ausgeben, wenn Nürnberg das Rennen nicht macht.

Rund 100 Millionen Euro sollen Veranstaltungen, Personal, Werbung und Investitionen kosten, wenn Nürnberg Kulturhauptstadt Europas 2025 wird. Das ist viel Geld. Und das in Zeiten von Corona, wo viele Künstler kaum noch ein Einkommen haben und es noch nicht absehbar ist, wie es mit den Steuereinnahmen weitergeht!

Ein halbes Gymnasium bauen - oder doch nicht?

Was könnte man nicht alles mit den 100 Millionen Euro machen? Ein halbes Gymnasium bauen, alle Löcher in Nürnbergs Straßen stopfen, auf Jahre hinaus die städtischen Abfalleimer öfters leeren, es könnten auch etliche Bäume neu gepflanzt werden. So ist das mit Infrastrukturmaßnahmen und Großprojekten. Etliche Bürger wollen beides überhaupt nicht mehr haben, weil sie Geldverschwendung vermuten, oder aber es fällt ihnen etwas anderes ein, wofür man Steuergeld ausgeben kann.

Doch die 100 Millionen Euro liegen auf keinem Konto und das Geld kann man deshalb auch nicht einfach an eine andere Stelle lenken. Die 100 Millionen Euro bestehen im besten Fall aus Finanzierungszusagen, sollte Nürnberg den Zuschlag bekommen (Freistaat und Metropolregion), aus Erfahrungswerten aus der Vergangenheit (Bund und Europäische Union) sowie Hoffnungen (Sponsorengelder).

Nürnberg müsste sechs Millionen pro Jahr stemmen

Weniger als ein Drittel käme von der Stadt. Das sind auf fünf Jahre gerechnet rund sechs Millionen Euro im Jahr. Da bliebe wenig fürs jährliche Straßenflicken übrig. Und das ganze Geld fließt auch nur dann, wenn Nürnberg Kulturhauptstadt wird und eben nicht, wenn Abfalleimer geleert werden. Warum soll die Metropolregion statt ihrem Beitrag zur Kulturhauptstadt die Nürnberger Abfalleimer mitfinanzieren?

Wettbewerb um Touristen

Nürnberg ist eine Touristenstadt, davon profitieren Einzelhandel, Touristen und Gastronomie. Die Stadt muss aber aufpassen, im Wettbewerb mit anderen Städten nicht zurückzufallen. Eine erfolgreiche Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt würde dafür sorgen, den kompletten Kulturbetrieb zu überdenken und ihn für die Zukunft auszurichten.

Kulturhauptstadt bedeutet auch, dass unterschiedliche Akteure im Bereich des Spielens mit dem Pellerhaus, das auf jeden Fall saniert werden muss, endlich eine Anlaufstelle bekommen. Nürnberg ist die Spielestadt in Deutschland. Sie muss aber auch einmal etwas dafür tun.

Die Sanierungen müssen auf jeden Fall finanziert werden

Das gleiche gilt für die Kongresshalle, die mit Künstlerateliers nach jahrelangen Überlegungen einer Teilnutzung zugeführt wird. Feuerwache 1 und Museum Industriekultur sind ebenfalls Sanierungskandidaten, in die von der Stadt finanzielle Mittel gesteckt werden müssen – mit und ohne Kulturhauptstadt. Bei „ohne“ müsste Nürnberg aber die Kosten alleine tragen.

Graz und Marseille als Vorbilder

Wer wissen will, welchen Gewinn eine Bewerbung als Kulturhauptstadt haben kann, der soll sich einmal Graz und Marseille ansehen. Marseille ist durch die Sanierung des alten Hafens wieder richtig in Schwung gekommen, und Graz hat mit einem neuen Museum einem ganzen Stadtteil eine Zukunft gegeben.

Eine reiche Geschichte

Von dem einmal ganz abgesehen: Nürnberg und seine Besucher bekämen eine Fülle von hochwertigen kulturellen Veranstaltungen zu sehen, und die Stadt könnte zeigen, dass sie eine reiche Geschichte hat. Mit dem Reichsparteitagsgelände hat die Stadt außerdem eine Last zu tragen, die andere Städte nicht haben, was sie in den vergangenen Jahren vorbildlich getan hat. Das ist sehenswert.

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