"Kulturhauptstadt 2025": Nürnberg stellt sich in Berlin vor

16.10.2018, 17:30 Uhr

© Baumer

Jetzt trafen die acht Bewerber aufeinander. Und nicht nur das. Bei einer Art "Speed Dating" durfte (musste) sich jede Kommune kurz vorstellen. Die Regeln waren sehr streng, jeder hatte für seine Präsentation fünf Minuten Zeit und mit einem Gongschlag wurde am Ende signalisiert, dass nur noch zwei Sätze erlaubt sind.

Nürnberg war an vorletzter Stelle dran, nach Magdeburg und vor Zittau. Was hatte Hans-Joachim Wagner, der Leiter des Nürnberger Bewerbungsbüros, zu dem Zeitpunkt schon gesehen? Ein durchwachsenes Angebot von originell bis zu frech und zu bürokratisch-bieder. Einige Kommunen haben wohl auch selbst schon erkannt, dass sie nur wenig Chancen haben, denn sie leiteten ihre Präsentation schon mit der Bemerkung ein, es sei ja immerhin ein Erlebnis dabei gewesen zu sein.

"Welchen Beitrag möchten Sie zum kulturellen Leben Europas beitragen?", so lautete die Leitfrage, die alle beantworten sollten. Die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner, in Berlin mit dabei, gab zu, dass sie „höchst neugierig“ sei, wie denn die Kurzvorträge der anderen ausfallen. Mit den Prospekt-Schönheiten der jeweiligen Stadt warb keiner. Damit wird man nicht Kulturhauptstadt. Bei manchen wuchs sich diese Erkenntnis sogar zu einem Hässlichkeitswettbewerb aus: Wie kann ich am deutlichsten die Brüche und Probleme in meiner Stadt aufzeigen, um sie dann mit Hilfe des Europa-Projekts regelrecht wegzuzaubern. Das ist vor etlichen Jahren dem bis dahin ziemlich schlecht beleumundeten Marseille sehr gut gelungen.

Auslöschung einer Stadt

Magdeburg stieg mit dem Abtörner ein, dass es früher im deutschen Sprachraum doch tatsächlich das Verb "magdeburgisieren" gegeben habe, das eine Synonym für die vollständige Auslöschung einer Stadt gewesen sei. Hildesheim zeigte ein Landkarte, auf der alles mögliche zu sehen war, nur nicht Hildesheim. Ein selbstironischer Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit der Stadt, den man aber dann doch wieder als mutig wahrnehmen sollte. Ähnlich wie das Foto von einer einsamen Bushaltestelle irgendwo im Hildesheimer Hinterland.

Einen der originellsten Auftritte hatte ausgerechnet das goldglitzernde, barocke Dresden. Semperoper und Kreuzchor tauchten kaum auf. Stattdessen zeigte der Poetry Slammer Tobias Kunze etwa ein Dutzend Fotos von Hannover, übertitelt mit anderen Städtenamen wie Venedig, Paris und Tallin. Da sollte einem als Zuhörer das Licht aufgehen, dass bei allem Bemühen um Unterschiedlichkeit die europäischen Metropolen am Ende doch aus einem sehr ähnlichen kulturellen Repertoire schöpfen.

Gleich mehrfach tauchte in der Dresden-Präsentation das touristische Horrorwort "Pegida" auf. Hoteliers fürchten seit den Montagsauftritten der Wutbürger um das Ausbleiben ausländischer Gäste. Nur nicht drumherumreden um dieses Thema, dachten sich offensichtlich die Verantwortlichen. Die Chemnitzer hingegen, seit Monaten wegen eines mutmaßlich von Asylbewerbern begangenen Tötungsdelikts und anschließenden rechtsextremen Demos in den Schlagzeilen, mieden diese Schattenseite ihrer Stadt. Obwohl doch jeder wenigstens auf eine kurze Erwähnung gewartet hatte.

Vergangenheit und Gegenwart

Nürnberg wählte bei seiner Präsentation eher die Variante Dresden als die Variante Chemnitz. Sprich: Man ging das Negativste von allem, die Rolle der Stadt im Nationalsozialismus, offensiv an. Von einer „Stadt der Täter“ war die Rede. Und davon, dass "Fragen von Totalitarismus in Vergangenheit und Gegenwart" hier intensiv diskutiert werden (siehe Stadt der Menschenrechte und das Memorium Nürnberger Prozesse). Die eher unbefangene, heiter-angenehme Seite des Nürnberger Auftritts wurde durch das Thema "Spielen" abgedeckt. Im Zuge der Kulturhauptstadt-Bewerbung soll ja sogar ein Haus des Spielens geben. Ein echter Gewinn der Präsentation waren die originellen Nürnberg-Aufnahmen von verschiedenen Nürnberger Fotografinnen und Fotografen.

Bei acht Kandidaten wird es am Ende sieben mehr oder wenige Enttäuschte geben. Die rheinland-pfälzische Ministerin Stefanie Hubig, stellvertretende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, munterte die Acht auf. Alleine schon die Bewerbung biete „eine ganze Reihe von Chancen“. Ihre Erkenntnis: "Die Städte nutzen in aller Regel den Wettbewerb, um ihr internationales Profil zu stärken und zu schärfen." Da bleibt auch für Hildesheim und Zittau noch ein Quantum Trost.

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