Lars von Triers "Melancholia" zeichnet das Ende der Welt

6.10.2011, 00:00 Uhr
Lars von Triers

© Concorde

Weltuntergangsvisionen gibt es viele, denkt man nur an atomare Katastrophen oder den Klimawandel. Vielleicht aber löscht auch ein außergewöhnliches Naturereignis die Menschheit aus, bevor sie sich selbst zugrunde richtet. Lars von Trier entwirft ein simples Szenario, wie dies geschehen könnte: Ein Riesenplanet rast auf die Erde und verschlingt sie. Eine „Götterdämmerung“ der anderen Art, untermalt mit Klängen aus Richard Wagners „Tristan“.

Das thematisch verbindende Element dabei ist wohl die unbändige Todessehnsucht: In der Oper stirbt Isolde den Liebestod, im Film erwartet die manisch-depressive Justine (Kirsten Dunst) die Planetenkollision als Erlösung von allem Übel. Vergeblich hat die junge Frau versucht, ihr ewiges Außenseiter-Dasein zu überwinden. Sie wollte heiraten, ganz in Weiß und mit allem Drum und Dran. Von dieser Hochzeit, die sich am Vorabend der Apokalypse ereignet, erzählt „Melancholia“ im ersten Teil des Films.

In einer Stretchlimousine rückt das scheinbar glückliche Paar auf dem herrschaftlichen Landsitz von Justines Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) an. Dort erwartet es einen fürstlichen Empfang, doch das Fest scheitert auf ganzer Linie. Das beginnt schon damit, dass die geschiedene Mutter (Charlotte Rampling) bei Tische zynisch über die Ehe polemisiert, und endet damit, dass die Braut ihren Angetrauten derart brüskiert, dass er ohne sie wieder abfährt.

Sorge um den Sohn

Im zweiten Teil werden Justine, Claire und deren Ehemann John (Kiefer Sutherland) zu Augenzeugen des einmaligen Naturspektakels. Jeder von ihnen erlebt es anders: Während sich Justine zunehmend befreiter fühlt und John, der Astrologe, fasziniert durchs Teleskop schaut, gerät Claire in geradezu panische Sorge um ihren kleinen Sohn.

Und obwohl vermutlich die meisten Menschen mit dieser Mutter fühlen, ist dies kein gräuliches Endzeitdrama zum Fürchten. Im Gegenteil: Von Trier, der, wenn es in seiner Macht stünde, höchst selbst den Weltuntergang einläuten würde, um allem Leiden ein Ende zu setzen, inszeniert seine Crash-Fantasie mit so versöhnlichen Gesten und Bildern voller Schönheit, dass von ihr bei aller Mystik auch etwas Befreiendes ausgeht. Nicht zuletzt, weil sich die ekstatische Musik mit symphonischer Wucht über den Film legt, ihm die entscheidende atmosphärische Sogkraft gibt, der man sich schwer entziehen kann.

Damit entfernt sich der Dogma-Regisseur ästhetisch weit von seinem eigenen, in den 90er Jahren formulierten Manifest, das Musik als Stilmittel verpönt. Aber eben daran zeigt sich auch, dass große Filmkunst über Dogmen erhaben ist. (DK/S/F/D/130 Min.; Cinecittà, Metropolis, Nbg.; Manhattan, Erl.)
 

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