Leben als Abenteuer: "Lindenberg! Mach Dein Ding"

16.1.2020, 12:50 Uhr
Leben als Abenteuer:

© Sandra Hoever/DCM

Große Künstler misst man nicht allein an ihrem Schaffen es sind die vielen kleinen und großen Geschichten und Anekdoten, die sich um sie ranken und die Legende stetig nähren. Auch im Fall von Deutschlands bekanntestem Hutträger gibt es viel zu erzählen – was das stimmige Biopic "Lindenberg! Mach dein Ding" bildgewaltig übernimmt.

"Es ist wichtig, dass du eine Sache ganz schnell kapierst: Wir Lindenbergs werden Klempner und sonst nix" – die Lektion, die Klein-Udo von seinem Vater Gustav (Charly Hübner) erhält, ist so bitter wie eindeutig. Doch der Teenager aus dem westfälischen Gronau ist zu Höherem berufen: So wie einst Glenn Miller will er sein eigenes Orchester haben, mit dem er eigene Lieder spielt – und das auch noch auf Deutsch, der "Sprache der Täter", in der bestenfalls Schlagermusik gesungen wird. Aber unser Held verliert nie den Glauben an sich und seinen Traum – egal ob er gerade mal wieder abstürzt oder zu einem weiteren Höhenflug ansetzt ...

Mut zur Lücke

Mit zahlreichen Zeitsprüngen und doch irgendwie chronologisch erzählt "Lindenberg! Mach dein Ding" von Udos Anfängen als Showband-Trommler in den Sextheatern von St. Pauli über seine Zeit in der libyschen Wüste als Truppenunterhalter für die US-Army hin zum Durchbruch als Panikrocker mit dem dritten Album "Alles klar auf der Andrea Doria" (1973) – und blendet an dieser Stelle aus. Die 80er und 90er Jahre, in denen Udo vollends zum Anti-Lagerfeld des Deutschrock mutierte, bleiben außen vor.

Wie jede Biografie ist auch "Lindenberg! Mach dein Ding" nur eine Interpretation – eine Version, wie es gewesen hätte sein können, erzählt und aufbereitet mit den dramaturgischen Tricks und Kniffs des Kinos. Regisseurin Hermine Huntgeburth ("Die weiße Massai") und die Drehbuchautoren Alexander M. Rümelin, Christian Lyra und Sebastian Wehlings finden eine gute Mitte zwischen dem Menschen und der Kunstfigur. Manches wird abgefrühstückt (das enge Verhältnis zu seiner Mutter Hermine etwa, gespielt von Julia Jentsch), dafür geht es an anderer Stelle in die Tiefe. Viel Raum wird der Beziehung zu seinem Bassisten Steffi Stephan (Max von der Groeben aus "Fack ju Göhte") eingeräumt, der bis heute Teil des Panikorchesters ist, und auch Detlev Buck als herrlich-schmieriger Plattenfirmenfuzzi hat ein paar schöne philosophische Sätze. Beleuchtet werden die Menschen und Geschichten hinter Liedern wie "Cello" und "Mädchen aus Ostberlin". Eine Wucht sind die Kulissen: Das St. Pauli der frühen 70er Jahre, die "Villa Kunterbunt" und die legendäre Hamburger Szenekneipe "Onkel Pö" fühlen sich auf der Leinwand echt an. Auch sonst gibt sich der Film immer wieder detailverliebt, etwa wenn der junge Udo bei seinem Versuch, eine Kellnerlehre zu absolvieren, staunt, dass es Menschen gibt, die dauerhaft im Hotel leben.

Der staunende Blick auf die Welt

Jan Bülow als junger Udo ist eine Wucht. Immer wieder hart an der Grenze zum Overacting hat er jedoch jenen staunenden Blick auf die Welt, mit dem er die Herzen der Zuschauer im Nu erobert. Sein Udo ist oft unsicher und nicht in jeder Situation uneingeschränkt sympathisch.

Nach hinten raus gerät der Film dann vollends zur Heldensage, wenn der echte Udo übernimmt, um im Abspann seine neue Single zu präsentieren. Geschenkt. Der inzwischen 73-Jährige ist und bleibt Deutschlands einziger Rockstar, und wie es scheint, ist seine Geschichte immer noch nicht zu Ende erzählt. "Lindenberg! Mach Dein Ding" wird seine Fans nicht enttäuschen. (139 Min.)

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