Leben als Experiment

Nürnberg - Der Verzicht auf großes Gepäck und der Zwang zum Reisen machen die Wanderjahre von Handwerksgesellen zu einer Zeit großer Unsicherheit - und Freiheit. Das Germanische Nationalmuseum zeigt Gesellen und Gesellinnen in großformatigen Porträts.

Das Leben von Wandergesellen – definitiv ein Experiment! Ohne Handy und ohne Geld sind die jungen Handwerkerinnen und Handwerker unterwegs. Reisen dürfen sie ausschließlich zu Fuß oder per Anhalter. Nie wissen sie, wer als nächstes anhält und wohin derjenige sie mitnimmt. Unklar bleibt, wo sie am Abend schlafen und morgens arbeiten werden. Gefragt sind Spontanität, Improvisationstalent und eine positive Lebenseinstellung.

Bestens fügt sich das Thema damit in die kurzfristig anberaumte Präsentation in Ausstellungshalle 1. Kuratorin Heike Zech wollte auf die aktuelle Corona-Situation reagieren, aber keine düstere Schau zu Motiven wie Pest und Seuchen konzipieren. Ihre Idee: Das Thema „Alternativen“ aufgreifen. Was tun, wenn der eigentliche Plan plötzlich zerbricht?

... und Zimmermann Arne auf Fotos von Dominik Reding, 2018, stehen für ein Leben mit Plan B.

Neben Wanderbüchern und historischen Objekten, die das Leben auf der Walz veranschaulichen, sind großformatige Fotoarbeiten von Wandergesellen der Brüder Benjamin und Dominik Reding zu sehen. Die Handwerkerinnen und Handwerker kamen meist unangemeldet als Zwischenstopp ihrer Reise im Berliner Atelier vorbei. Mit ihrem charakteristischen Auftreten, dem gewundenen Wanderstab, dem liebevoll „Charlie“ genannten Reisebündel, dem breitkrempigen Hut und staubigen Schuhen, hielten die Fotografen sie authentisch und ohne Inszenierung fest. So entstanden zwischen 2017 und 2019 mehr als 1.700 Aufnahmen, von denen sieben jetzt in Halle 1. Ein Experiment im Germanischen Nationalmuseum zu sehen sind.

Anregend, abwechslungsreich und frei – gerade in der Bereitschaft, jederzeit Alternativen für ihren Lebensweg durchzuspielen, können Wandergesellen zum Vorbild in unsicherer Zeit werden.

http://www.gnm.de