Liebesgeschichte für eine einzige Nacht

24.8.2018, 15:13 Uhr
Liebesgeschichte für eine einzige Nacht

© Foto: Thomas Burmeister/dpa

Alex Capus (Jahrgang 1961), ein ungeheuer produktiver Schreiber, wählt für seine Geschichten gerne die Schweiz als Ort der Handlung, aber auch historische Figuren als Quelle der Inspiration. In seinem Bestseller "Fast ein bisschen Frühling" erzählt er die wahre Geschichte zweier Bankräuber, "Reisen im Licht der Sterne" dreht sich um "Schatzinsel"-Autor Robert Louis Stevenson und "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer" verknüpft drei echte Biographien.

Auch in "Königskinder" verbindet Capus Fakten und Fiktion, Geschichte und Gegenwart, erfundenes und historisches Personal: Auf überraschende Weise schlägt er einen Bogen von der heutigen Schweiz zur Zeit der französischen Revolution, beispielhaft dargestellt an zwei Paaren.

Eingeschneit im Auto

Tina und Max, die am Anfang des Romans bei einem plötzlichen Winter-Einbruch mit dem Auto im Schnee stecken bleiben, kennen Capus-Leser schon aus dem Roman "Das Leben ist gut". Tina und Max müssen wohl oder übel eine Nacht im Auto verbringen. Und in dieser einen Nacht – das ist die etwas dürftige Klammer des schmalen Romans – erzählt Max eine märchenhafte Geschichte, es muss ja nicht immer tausendundeine Nacht sein.

Der Held dieser Erzählung ist Jakob, ein armer Schweizer Hirtenjunge, der nach dem frühen Tod seiner Eltern allein in den Bergen lebt und sich eines Tages unsterblich in Marie, die Tochter eines reichen Bauern verliebt.

Mit großer Fabulierlust erzählt Max vom harten Leben der Bergbauern und der romantischen Liebe – und wird dabei immer wieder von Tina unterbrochen, die ihn vor Kitschfallen und Abschweifungen warnt. Und tatsächlich bekommt die Story einen völlig neuen Dreh, als man sich gerade in einem gemütlichen, etwas altmodischen Heimatroman wähnt.

Denn natürlich scheint die Liebe zwischen Jakob und Marie aussichtslos zu sein: Der alte Bauer setzt alles daran, um eine Beziehung zwischen seiner Tochter und dem mittellosen Kuhhirten zu verhindern. Jakob bleibt – wie vielen armen Schweizern – keine andere Wahl, als sich als Söldner zu verpflichten, und er landet schließlich bei der französischen Armee in der Normandie. Er hat Glück muss nicht in die Schlacht ziehen und kann nach seiner Dienstzeit heimkehren.

Während all der Jahre beim Militär kann er Marie nicht vergessen, die in der Schweiz auf ihn wartet. Ja, und so könnte es nach Jakobs Rückkehr fast ein Happy End geben. Aber kaum haben sich die beiden endlich gefunden, zerstört ein Befehl des französischen Königs das junge Glück: Der Hirte wird dringend auf dem Landgut von Prinzessin Elisabeth gebraucht. Die exzentrische Schwester von Ludwig XVI. hat sich in Montreuil bei Versailles den Traum vom idealen Landleben erfüllt, Schweizer Kühe inklusive. Jakob bricht wieder allein nach Frankreich auf.

Wie Capus die Zustände am dekadenten Königshof in Versailles schildert und mit dem (historisch verbürgten) sozialen und landwirtschaftlichen Experiment der Prinzessin kontrastiert, bildet den literarischen Höhepunkt seines Romans. Capus schreibt mit profundem Wissen und bewundernswerter Leichtigkeit.

Am Ende befinden sich Tina und Max nach der langen, kalten Nacht im Auto wieder in Sicherheit. Aber wie die Liebesgeschichte von Jakob und Marie ausgeht, das soll hier nicht verraten werden.

Alex Capus: Königskinder. Roman. Hanser Verlag, München. 184 Seiten, 21 Euro.

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