Mehr als ein Schauspieler: Zum 100. Geburtstag von Peter Ustinov

16.4.2021, 08:53 Uhr
Immer zu einem Scherz aufgelegt: Als Unicel-Botschafter stellte Peter Ustonov 2003 das gemeinsam mit Sabine Christiansen verfasste Buch "Für jedes Kind" vor.

© Andreas Altwein/dpa Immer zu einem Scherz aufgelegt: Als Unicel-Botschafter stellte Peter Ustonov 2003 das gemeinsam mit Sabine Christiansen verfasste Buch "Für jedes Kind" vor.

"Ein Abend mit Peter Ustinov": Zu Beginn der 1990er Jahre durfte das Publikum auch in Nürnberg so einen Abend erleben. Der große Schauspieler reiste mit einem Solo-Programm unter diesem Titel durch Europa. Er kam in die Meistersingerhalle, die brechend voll war. Und Abschied wollte an diesem Abend niemand vom Gastgeber nehmen. Der Applaus hielt ihn schier endlos auf der Bühne fest.

Peter Ustinov war damals Anfang 70. Am heutigen 16. April wäre er 100 geworden. Doch am 28. März 2004 hat er die Augen in einem Schweizer Krankenhaus für immer geschlossen. Der große Schauspieler trat von der Bühne ab.

Immer mit Augenzwinkern

Peter Ustinov in einer seiner berühmtesten Rollen als irrer Kaiser Nero in der Hollywood-Produktion "Quo Vadis?".

Peter Ustinov in einer seiner berühmtesten Rollen als irrer Kaiser Nero in der Hollywood-Produktion "Quo Vadis?". © imago images/Everett Collection

Kinoleinwände, Fernsehschirme, diverse Displays bewahren ihn in seinen populärsten Rollen. Als Agatha Christies belgischer Detektiv Hercule Poirot löst er in den Filmen "Tod auf dem Nil", "Das Böse unter der Sonne" und "Rendezvous für eine Leiche" die vertracktesten Fälle. Als Kaiser Nero besingt er im Sandalen-Epos "Quo Vadis" (1951) das brennende Rom. Er zeigt einen irren und grausamen Imperator, der trotzdem die Sympathien der Zuschauer genießt. Denn Ustinov spielte immer mit Augenzwinkern. Mit Ironie distanzierte er seine Figuren von den Schrecken des Daseins, das er auch selbst als Zumutung empfand.

Aber ist Peter Ustinovs Leben und Wirken mit der Einordnung als Schauspieler hinreichend charakterisiert? In der Meistersingerhalle trat er als Entertainer auf. Und er wurde nicht nur vom Darsteller Peter Ustinov begleitet sondern zugleich von Peter Ustinov, dem Romanautor, dem Dramatiker, dem Geschichtenerzähler und Autobiografen, dem Pantomimen, dem Regisseur, dem politischen Kommentator und vor allem dem polyglotten Kosmopoliten. Sie alle stellten auch noch den Unicef-Botschafter Peter Ustinov vor. Dieser Mann war ein Gesamtkunstwerk in einer Person.

"Ethnisch sehr schmutzig"

Wer immer seine Geschichte zusammenfassen möchte, wird daran scheitern, dass Peter Ustinov ein Chamäleon der Unterhaltungsindustrie war. Das Schillern war sein Markenzeichen und seine Lebensart. Allein seine Herkunftsgeschichte mit russischen, deutschen, französischen, italienischen, schweizerischen, vielleicht sogar äthiopischen Vorfahren ist eine Weltkomödie. "Ich bin ethnisch sehr schmutzig und sehr stolz darauf", hat Ustinov einmal gesagt.

Er wurde in London geboren, war lebenslang britischer Staatsbürger und wurde 1990 sogar von der Queen geadelt. Dennoch hat er in seinen späten Lebensjahrzehnten in der Nähe von Genf gelebt und auch noch die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen. Ustinov wusste, dass man mit einer einzigen Maske nicht auskommen kann. Deswegen war ihm jeder Standesdünkel und jeder Nationalismus zuwider.

Er gehörte dem bunten Volk der Künstler an. Frühe Schauspielerfolge gab es auf den Bühnen des Londoner Westend. Doch zugleich schrieb er erste Dramentexte für sich und andere. "Pfiffig" nannte sie der deutsche Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki. Drei Titel werden bleiben: "Romanoff und Julia" (1956), "Endspurt" (1962), "Halb auf dem Baum" (1967).


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Schon in England stand Ustinov vor Filmkameras. Hollywood machte ihn mit "Quo Vadis" zum Star. Auch hier wollte er Vielfalt, schrieb Drehbücher, führte Regie. Ustinov spielte in vielen mittelmäßigen Filmen, denn eine gescheiterte zweite Ehe und insgesamt vier Kinder nötigten ihn zum Geldverdienen. Er schuf aber auch großartige Figuren, etwa in "Lola Montez" (1955) "Der Hund, der Herr Bozzi hieß" (1957) oder "Topkapi" (1964). Für "Topkapi" gab es den Oscar für die beste Nebenrolle, genau wie für den Gladiatoren-Direktor Batatius im Monumentalfilm "Spartacus" (1960).

In der Thrillerkomödie "Topkapi" brilliert Peter Ustinov als trotteliger Kleinbetrüger, der einem Gaunerpaar (Melina Mercouri, Maximilian Schell) beim großen Coup in Istanbul helfen soll. Ustinov erhielt dafür den Oscar als bester Nebendarsteller.

In der Thrillerkomödie "Topkapi" brilliert Peter Ustinov als trotteliger Kleinbetrüger, der einem Gaunerpaar (Melina Mercouri, Maximilian Schell) beim großen Coup in Istanbul helfen soll. Ustinov erhielt dafür den Oscar als bester Nebendarsteller. © imago images/Everett Collection

Unter dem Glanz des Filmstars wird die Vielseitigkeit von Peter Ustinovs Wirken oft vergessen, vor allem sein soziales und politisches Engagement. Dazu gehören seine Stiftungen für Schulen und Kinderwerke auf der ganzen Welt oder seine tapfere Unterstützung der Ostermarschbewegung gegen den Atomkrieg. Wo es ging, verurteilte er Intoleranz, Vorurteile und Diskriminierung. Er war ein Idealist, aber auch dabei stets voller Humor und Ironie, die ja auch immer mit einem Scheitern rechnen.

Letzte Rolle als Kurfürst

Vielleicht ist seine letzte Filmrolle nochmals kennzeichnend für den Menschen Peter Ustinov gewesen. 2003 spielte er in "Luther" den sächsischen Kurfürsten Friedrich den Weisen, einen Unterstützer der Reformation und damit des Fortschritts. Er spielte ihn leise und selbstverständlich ein bisschen verschmitzt. So wie er der Welt gegenüber getreten ist – an vielen Abenden mit Peter Ustinov.

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