Mit der Ukulele gegen den Hass: Jendrik Sigwart vertritt Deutschland beim ESC

17.5.2021, 13:57 Uhr
Jendrik Sigwart, geboren am 27. August 1994 in Hamburg-Volksdorf, studierte nach dem Abitur am Institut für Musik in Osnabrück und schlug eine Laufbahn als Musicaldarsteller ein. Ende 2020 wurde Sigwart als Vertreter Deutschlands für den Eurovision Song Contest 2021 ausgewählt. Sigwart lebt mit seinem Freund Jan in Hamburg.

© imago images/ANP, NNZ Jendrik Sigwart, geboren am 27. August 1994 in Hamburg-Volksdorf, studierte nach dem Abitur am Institut für Musik in Osnabrück und schlug eine Laufbahn als Musicaldarsteller ein. Ende 2020 wurde Sigwart als Vertreter Deutschlands für den Eurovision Song Contest 2021 ausgewählt. Sigwart lebt mit seinem Freund Jan in Hamburg.

Herr Sigwart, welches Bild von Deutschland möchten Sie in Rotterdam vermitteln?

Jendrik Sigwart: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Die Frage müsste eher lauten: Welches Bild wollen die Jurys mit mir vermitteln, indem sie mich ausgewählt haben? Ich gehe da einfach als ich hin. Ich möchte die Message des Songs vermitteln. Das ist wahrscheinlich auch das, was ich als Vertreter Deutschlands rüberbringe.

"I Don't Feel Hate" schrieben Sie mit dem Produzenten Christoph Oswald. Wollten Sie mit dem Titel bewusst ein Zeichen setzen in einer Zeit, in der Hass und Hetze wieder unverhohlen zunehmen?

Sigwart: Definitiv. In dem Songtext spreche ich nichts Politisches an, sondern gehe von meiner persönlichen Erfahrung aus. Aber das Video ist ein Beispiel dafür, dass Hass auch ein politisches, allumfassendes Thema ist.



Botschaft des Liedes ist, auf Hass nicht mit Hass zu antworten, sondern Mitleid mit den "Hatern" zu empfinden. Haben Sie Erfahrungen mit Hate Speech im Netz?

Sigwart: Ja. Jetzt, wo ich in die Öffentlichkeit trete, umso mehr. Ich habe schon häufiger homophobe Ausdrücke gehört. Das sind meistens Menschen, die mit sich selber noch nicht im Einklang sind. Man sollte denen aber schon zu verstehen geben, dass es verletzend ist, wenn sie sagen: Schwulsein ist falsch.

Nach der Schule absolvierten Sie ein Studium zum Musical-Darsteller am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück. Wie hart war diese Ausbildung?

Sigwart: Ich werde immer gefragt, ob ich jetzt gestresst bin. Nein! Gegen die Erfahrungen, die ich im Studium gemacht habe, ist das, was ich als ESC-Teilnehmer gerade erlebe, nichts. In Osnabrück waren wir von morgens um neun bis abends um zehn Uhr durchweg beschäftigt, weil wir vier Sparten auf einmal studierten: Gesang, Schauspiel, Tanz und Vokalpädagogik. Deshalb bin ich im Moment eigentlich entspannt.

Haben Sie in den vier Jahren alles über Tanz, Schauspiel, Gesang und Vokalpädagogik gelernt?

Sigwart: Ja sollte ich, ne. In den letzten Jahren habe ich zwei Touren gemacht, ich war gleich nach dem Studium in "La Cage aux Folles" und "Peter Pan" zu sehen. Danach spielte ich am Theater Münster in "Street Scene" mit und war parallel mit "Wahnsinn – Das Wolfgang Petry Musical" ein halbes Jahr unterwegs. Anschließend habe ich bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel in "Grease" und "Zucker" mitgewirkt und bin bis März 2020 mit der Revue" Berlin, Berlin" auf Tour gegangen. Und dann kam Corona.

Beim Finale des ESC werden rund 100 Millionen TV-Zuschauer aus ganz Europa dabei sein. Sind Sie schon nervös?

Sigwart: Noch nicht. Ich kann mir aber vorstellen, dass mich die Nervosität am Tag des ESC übermannt. Es kommt darauf an, wie ich mich vorbereite. Ich habe jetzt damit angefangen, regelmäßig den Song zu proben, damit ich die Kondition habe, ihn zu performen.

Gucken Sie sich vorab die anderen diesjährigen ESC-Teilnehmer genauer an?

Sigwart: Geile Konkurrenz! Ich liebe die alle. Warum sollte mir das Angst machen? Der ESC ist doch kreiert worden, um Community und Musik zu zelebrieren. Der Wettbewerbsgedanke ist eher zweitrangig, weil er nur ein Unterhaltungsfaktor ist. Als Künstler gehe ich da hin, um zusammen einfach jeden Mitwirkenden zu feiern. Jeder bringt aus seinem Land ein geiles Lied mit.

Was haben Sie sich für die Bühnenshow überlegt?

Sigwart: Ich möchte mit der Message des Songs so klar wie möglich sein. Ich wünsche mir die Kameras nah bei mir und meiner Crew auf der Bühne. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Nahbarkeit.


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Dieter Bohlen sagte einmal: Das Musikbusiness ist hammerhart. Sensible Menschen, die keine Kritik vertragen, haben da nichts verloren. Geben Sie ihm Recht?

Sigwart: Ja. Das gilt nicht nur für das Pop-, sondern auch für das Musicalbusiness. Sobald du der Künstler bist, der auf der Bühne steht, musst du gut mit Kritik klarkommen. Vier Jahre lang ging es im Studium nur darum, wer und was man auf der Bühne ist. Man muss Kritik annehmen und damit umgehen können. Aber man muss sie auch ausblenden können, wenn sie einem gerade gar nichts bringt. Das ist etwas, was ich erst am Ende des Studiums gelernt habe. Am Anfang nimmt man noch alles für bare Münze, am Ende ignoriert man Kritik auch schon mal und konzentriert sich auf das, was man gerade benötigt.

Sie schreiben all Ihre Songs auf der Ukulele. Wie kam dieses Instrument in Ihr Leben?

Sigwart: Die Ukulele lag auf dem Geburtstagstisch meiner Schwester. Und dann habe ich sie in die Hand genommen. Seitdem hat sie sie nie wieder gesehen. Ich habe mich sofort verliebt in dieses Instrument und es mir selbst beigebracht. Überall, wo man auf den vier Saiten hindrückt, ist ein Akkord.

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