Monika Roscher Big Band begeisterte in Nürnberg

1.12.2019, 12:04 Uhr
 Monika Roscher Big Band begeisterte in Nürnberg

© Emanuel Aurel Klempa

 

Musikkritiker erkennt man in der Regel an ihren Notizblöcken, in die sie während eines Konzerts mit konzentrierter Miene Musikernamen, Songtitel oder spontane Assoziationen und Gedankensplitter hineinschreiben. Manche sind quasi ununterbrochen am Kritzeln, andere nur selten. Auf meinem Block steht nach dem Konzert der Monika Roscher Bigband im ausverkauften Hubertussaal nichts. Gar nichts. Warum? Weil man mit jeder Sekunde, die man sich seinen Aufzeichnungen widmet, garantiert etwas absolut Ungeheuerliches verpasst. Weil einen diese Musik im positiven Sinn so fordert, dass man sich Unaufmerksamkeiten nicht leisten kann: Wer gerade auf einem fauchenden, feuerspeienden Drachen in Begleitung von acht halluzinierenden Prinzessinnen durch phosphorisierende Galaxien jagt, hält sich auch nicht mit Notizen auf. Komischer Vergleich? Meine Güte, wie soll man das beschreiben: Da steht Monika Roscher, diese zierliche, aufgeweckte, auf sympathische Art bodenständig wirkende 35-jährige Gitarristin und Komponistin mit unbedarftem Lächeln vor ihrer 17-köpfigen, mit einer ganzen Armada von Blech- und Holzblasinstrumenten bewaffneten Riesenband und dirigiert einen überwältigenden Sound, der so leichtfüßig auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn tänzelt, als wäre das alles nur ein lustiger Sonntagsspaziergang. Eine Musik, die sich in stürmischen Grooves und schrägen Riffs zu monströser Größe aufbauscht, um dann wieder in sich zusammenzustürzen, sich wieder aufzurappeln und in einem Wald voller süßem Vogelgezwitscher kindlichen Unsinn zu treiben. Eine Musik, die Frank Zappa, Laurie Anderson und Charlie Mingus auf eine Geisterbahnfahrt durchs eigene Unterbewusstsein schickt, in der Indierock, Bigbandjazz und elektronisches Sounddesign Blutsverwandte sind und Klänge bunte Farben, welche die Fantasie der Hörer*innen zum Leuchten bringen. Ach ja, Frau Roscher singt ihre herrlich verspulten Texte nicht nur mit entwaffnender Nonchalance, sondern spielt auch ganz vorzüglich Gitarre - aber nur dann, wenn sie es für unbedingt notwendig hält und das ist nicht sehr oft. Donnernder Applaus zum Finale und man ist sich einig: Selten ist Avantgarde so unterhaltsam.

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