Mysterie trifft Retro-Charme: Neue Netflix-Serie "Dark"

29.11.2017, 15:41 Uhr
Louis Hofmann, der den Jungen Jonas Kahnwald spielt, steht auf seiner Suche nach dem verschwundenen Mikkel Nielsen vor den Windener Höhlen, denen in der Serie "Dark" eine wichtige Rolle zukommt.

© Julia Terjung/Netflix/dpa Louis Hofmann, der den Jungen Jonas Kahnwald spielt, steht auf seiner Suche nach dem verschwundenen Mikkel Nielsen vor den Windener Höhlen, denen in der Serie "Dark" eine wichtige Rolle zukommt.

Wenn man eine Mystery-Geschichte erzählen will, liegt der Gedanke an Dunkelheit, undurchdringliche Wälder und geheimnisvolle Kapuzenwesen irgendwie nicht weit. Und all das kommt auch in "Dark" (Dunkel) vor. Denn so qualitativ hochwertig und brillant besetzt die erste deutsche Netzflix-Produktion auch daherkommt, das Rad konnte Regisseur Baran bo Odar mit seinem Team natürlich auch nicht neu erfinden.

Seine Erzählweise ist ausgesprochen ruhig, was nicht heißen soll, dass nicht für genügend Action- und Grusel-Momente gesorgt wäre. Alles beginnt im Jahr 2019, aber schnell wird klar, dass auch die Jahre 1986 und später sogar noch 1953 eine zentrale Rolle spielen. Warum 1986? Nun, im August dieses Jahres kam es zur Katastrophe von Tschnernobyl, die den meisten Menschen erstmals eine reale Ahnung von der globalen atomaren Bedrohung verschaffte.

Geheimnisse ums Kernkraftwerk

Die "Hauptattraktion" von Winden ist nämlich ein Kernkraftwerk, in dessen Dunstkreis sich einige merkwürdige Ereignisse abspielen. Gleichzeitig laufen die Handlungsstränge von vier Familien ab, die irgendwie zusammenzuhängen scheinen. Und dann darf das Personal von 2019 auch noch zeitreisend durch die achtziger Jahre (Vorsicht: Nena-Hits und "Raider"-Werbung!) und die Adenauer-Epoche wandern. Gelegenheit also für jede Menge Retro-Charme zwischen Wählscheiben-Telefon und Walkman für die Jüngeren und Wiedererkennungsfreude über Nierentisch-Mobilar und DKW-Chic bei den Älteren.

Als ein Kind verschwindet, erinnert sich die diensthabende Kommissarin an einen ähnlichen Fall von — wir ahnen es bereits — 1986. So wird munter zwischen den Zeitebenen hin- und hergeswitcht. Wobei Regisseur Baran bo Odar eindeutig von seinen Erfahrungen aus seinem Krimi-Melodram "Das letzte Schweigen" (u.a. mit Karin Sass und Wotan Wilke Möhring) profitiert, in dem es auch um ein verschwundenes Kind ging.

Schauspielerisches Spitzenniveau

Zusammen mit Jantje Friese hatte bo Odar die Idee für die Story und wenn man ihm Glauben schenken darf, ermöglichte ihm Netflix exzeptionell gute Drehbedingungen. Auf jeden Fall nötigt allein schon die Besetzungsliste Respekt ab: Mit beispielsweise Angela Winkler (die übrigens wie der Regisseur auch in Erlangen aufwuchs), Michael Mendl, Karoline Eichhorn, Mark Waschke, Oliver Masucci oder Walter Kreye waren wirklich Top-Leute am Set. Und auch die vielen Jung-Darsteller, die oft die frühen Rollen der späteren Protagonisten verkörpern, sorgen für schauspielerisches Spitzenniveau.

Klar, man muss das Genre mögen. Die insistierende Musik von Michael Kamm, der auch das "Letzte Schweigen" mit Klang versorgte, ist nicht nur äußerst dominierend, sondern sie lässt nicht eine Sekunde daran zweifeln, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber dennoch gibt es genügend Augenblicke, in denen auch der Humor einbricht, etwa wenn ein Veterinär, der 33 auf rätselhafte Art getötete Schafe obduziert, seinen Bericht so abfasst, als spräche er Pathologen-gleich über Menschenopfer.

"Dark" soll eine erste Antwort auf die vorherrschenden US-amerikanischen Serienerfolge sein. Wenn nicht alles täuscht, könnte dieser Pilotversuch von Netflix glücken . . .

Verwandte Themen


Keine Kommentare