Neue Doku: Das Leben und Leiden der Britney Spears

19.2.2021, 14:19 Uhr
Seit Jahren agiert Jamie Spears als Vormund seiner Tochter Britney - zum Missfallen vieler Fans und Kritiker.

© Uncredited, dpa Seit Jahren agiert Jamie Spears als Vormund seiner Tochter Britney - zum Missfallen vieler Fans und Kritiker.

Sie sagt kein Wort und doch bekam sie in den letzten Jahren selten mehr Gehör: Die Doku "Framing Britney Spears" offenbart die unbarmherzigen Mechanismen der Popkultur anhand der Karriere der US-Sängerin.

Seit der Veröffentlichung Anfang Februar herrscht im Netz eine Debatte über Schuld und Sühne in existenziellem Ausmaß.

Britney kommt nicht zu Wort

Sie müssen nur die Punkte verbinden. Dann ergibt alles einen Sinn, sagt die Frau vor der Rosenhecke mit den pinken Blüten. Sie lächelt dabei, als sei dies ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Aber was, wenn es nicht stimmt, wenn die lächelnde Frau nicht die Wahrheit sagt?

„Wenn Britney eines Tages spricht und sagt, dass wir falschliegen, dann lassen wir sie in Ruhe.“ Es ist einer von vielen absurden Momenten in der Doku, die vor wenigen Tagen auf dem amerikanischen Bezahlsender FX erschien und von der New York Times produziert wurde. Denn Britney Spears kommt auch hier nicht einmal zu Wort. Die 39-jährige Sängerin spricht zu niemandem.

Fans wie die lächelnde Frau namens Leanne Simmons haben die #FreeBritney-Bewegung gestartet. Nachdem Britney vor mehr als zehn Jahren zwei psychische Zusammenbrüche hatte, übertrug ein Gericht die Vormundschaft ihrem Vater.

Er entscheidet seitdem über ihre Auftritte, über ihr Vermögen, über ihr ganzes Leben. James Spears ist der Antagonist dieser existenziellen Erzählung. Doch die Fans der Sängerin bestimmen nun die Perspektive.

Da wären etwa die Macherinnen des Podcasts „Britney’s Gram“, in dem sie Postings des Stars auf Instagram deuten – alles mit einer heiligen Ernsthaftigkeit. Andere Fans stützen sich auf Boulevardzeitungen, auf jahrealte andere Dokumentationen von MTV. Hilfeschreie aus einem goldenen Käfig, man muss sie nur hören wollen. Doch damit fing die Geschichte natürlich nicht an.

Es begann Anfang der Achtzigerjahre in der US-Kleinstadt Kentwood in Louisiana, wo Britney Spears aufwuchs. Im Alter von acht Jahren nahm ihre Mutter sie mit nach Atlanta zu einem Casting für die Show „Mickey Mouse Club“.


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Doch die Macher lehnten das Mädchen ab. Spears sei zu jung. Die Nummer einer Agentin gaben sie Mutter und Tochter trotzdem mit.

Was folgte, war der Aufstieg zum Popstar. Der Durchbruch folgte 1998 mit der Single „…Baby One More Time“, von der sich bis heute mehr als 10 Millionen Exemplare weltweit verkauften. Pop hatte Hochkonjunktur Ende der Neunzigerjahre und kurz nach der Jahrtausendwende.

So übernahm die Öffentlichkeit die Erzählung von Britney Spears. Im Fokus: ihre Beziehung zu Justin Timberlake. Und die Frage, ob Spears noch Jungfrau sei.

Als die Beziehung zerbrach, war Spears schnell die Schuldige. Da durfte im Radio auch die Frage an Timberlake fallen: „Hast Du Britney Spears gepoppt?“ Und in anderen Interviews mit subtilerem Hochmut an Spears: „Was hast Du getan, dass ihr euch getrennt habt?“

Brutaler Blick der Öffentlichkeit

Kurz nach der Jahrtausendwende verlobte sich Spears mit Tänzer Kevin Federline und die Welt debattierte wieder über ihr Liebesleben. Jahre später bekam sie ihr erstes Kind und die Welt debattierte über ihr Muttersein.

Wieder Jahre später: Spears ließ sich von Federline scheiden und die Welt debattierte über das Sorgerecht für ihre Kinder. Musik machte Spears übrigens auch noch. Doch großartige Songs wie "Toxic" oder "Everytime" verblassten neben den Schlagzeilen.

Spätestens 2008 war Britney von der Lichtgestalt des puritanischen US-Pops endgültig zur Witzfigur für Comedians geworden. Kurz zuvor hatte sie sich noch eine Glatze rasiert, ein letzter Versuch, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzubekommen, sofern sie diese überhaupt jemals hatte.

Dann Nervenzusammenbrüche und Gerüchte über ihren Gesundheitszustand. Und plötzlich erhielt Vater James die Vormundschaft über seine Tochter.


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Und hier sind wir, mehr als zehn Jahre später, und sehen eine Doku, die all das wieder hervorholt. Vornehmlich kommen Fans und Wegbegleiter zu Wort. Weder James noch Britney Spears gaben ein Interview, nur in älteren Zitaten sprechen sie zum Zuschauer.

Und so erzählt "Framing Britney Spears" wenig Neues von einer unmenschlichen Unterhaltungsindustrie, aber viel Neues von einem menschlichen Schicksal in dieser Maschinerie.

Kampf um Vormundschaft

Immerhin: Vor wenigen Tagen kam die Nachricht, dass eine Richterin die Einwände von James Spears gegen eine Teilung der Vormundschaft mit einem Finanztreuhänder abwies. Britney kämpft darum, wieder die Kontrolle über ihr Vermögen zu erlangen.

Dazu rollt eine Welle der Solidarität für die Sängerin durch das Netz. Miley Cyrus und Sarah Jessica Parker sprachen ihre Unterstützung aus. Und Spears selbst? Auf Instagram teilte sie gerade ein schwarzweißes Selfie. Dazu drei Mango-Emojis. Noch ohne Verbindung zum Rest ihrer Geschichte.

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