Neues Album: Kylie Minogue macht Disco in der Küche

19.11.2020, 13:44 Uhr
Will ihren Fans so richtig gute Laune machen. Kylie Minogue hat ihr neues Album "Disco" veröffentlicht.

© Matt Crossick/ Imago Will ihren Fans so richtig gute Laune machen. Kylie Minogue hat ihr neues Album "Disco" veröffentlicht.

Mit ihrem neuen Album "Disco" steuert Kylie Minogue (52) gegen die trübe Stimmung an, die die Coronapandemie und die weltweiten Lockdowns machen. Zumindest musikalisch setzt der australische Popstar auf Party und gute Laune. Wir sprachen mit Minogue in London, den momentanen Distanzregeln entsprechend per Telefon.

Kylie, dein neues Album heißt "Disco". Aber so richtig krachen lassen auf der Tanzfläche kann man es gerade nicht, oder?
Kylie Minogue: Tja, so sieht es wohl aus. Bis auf weiteres findet die Disco nur im Kopf statt. Oder in der Küche.

In der Küche?
Kennst du etwa nicht die gute alte Küchendisco? Der beste Dancefloor entsteht immer dann, wenn du vorher die Möbel wegschieben musst. Das sind diese Abende im kleinen Kreis, an denen du gar nicht geplant hattest zu tanzen. Und dann passiert es eben doch. Du hast einen Drink, und dann noch einen, die Musik wird immer ein bisschen lauter, schließlich schreit jemand "Wir brauchen mehr Platz!" Und dann hörst du es auch schon quietschen, weil einer das Sofa wegschiebt. Das gibt zwar meistens blöde Schrammen auf dem Boden, aber dieses Quietschen ist ein untrügliches Zeichen für einen geilen Abend.

Partystimmung ist ihr Kerngeschäft: Kylie Minogue.

Partystimmung ist ihr Kerngeschäft: Kylie Minogue. © Steve Vas/ Imago

Wann hat es denn bei dir zuhause das letzte Mal gequietscht?
Die letzte Küchendisconacht, an die ich noch sehr intensive Erinnerungen habe, fand vor zwei Jahren in einem Restaurant statt, nach einer Filmpremiere. Wir sind wirklich extrem abgegangen in dieser Nacht. Bei mir daheim hätte ich gerne meinen Freunden das neue Album vorgespielt und dabei anständig Party gemacht. Doch das ist gerade nicht der beste Zeitpunkt für solche Nächte.

Hast du trotzdem einigermaßen Spaß gehabt den Sommer über?
Die Monate hier in meinem Haus in London waren wirklich sehr, sehr ruhig, Ich bin froh, dass ich meine Arbeit hatte, sie war so etwas wie meine Brücke hinaus in die Welt. Wie wohl jeder von uns habe ich die Dinge vermisst, die sonst immer selbstverständlich waren, einfach ins Kino gehen und sowas. Und mir fehlt meine Familie.

Leben deine Angehörigen nicht sowieso in Australien?
Ja, das tun sie. Trotzdem kommt es mir vor, als wären die viel weiter weg dieses Jahr. Früher konnte ich, wenn ich Heimweh hatte oder Sehnsucht, einfach ein Ticket kaufen und meine Lieben besuchen. Theoretisch ginge das jetzt auch noch, ist aber viel, viel umständlicher und komplizierter als sonst. Was uns bleibt sind Telefon und Videokonferenzen.


Es heißt, du sollst sogar deinen Gesang für das Album nicht im Studio, sondern daheim aufgenommen haben.
Ja, das ist richtig. Anfangs war das stressig, doch ich hatte zum Glück findige Kollaborateure, die mir sehr dabei geholfen haben. Ich bin weit davon entfernt, ein Nerd in Sachen Aufnahmetechnik zu sein, aber tatsächlich habe ich eine Menge gelernt, und es hat auch gut funktioniert.


"Disco" ist sogar für deine Verhältnisse ein ausgesprochen flottes und peppiges Album. Taugt die Platte als Medikament gegen die Corona-Trübsal?
Es ist sicherlich eine der wirkungsvolleren Maßnahmen, um die Leute aus dem Stimmungsloch zu holen.

Kylie Minogue ließ sich für ihr neues Album auch von den Disco-Platten ihrer Eltern inspirieren.

Kylie Minogue ließ sich für ihr neues Album auch von den Disco-Platten ihrer Eltern inspirieren. © Rainer Jensen, dpa

Du bist Jahrgang 1968. Wie ist dein Verhältnis zur klassischen Disco-Musik aus den Siebzigern?
Meine Liebesgeschichte mit Disco begann früh. Ich muss so neun Jahre alt gewesen sein und hatte gerade gelernt, wie der Plattenspieler meiner Eltern funktioniert. Ich zog mir dann alles rein, was bei denen herumlag – Abba fand ich super, die Bee Gees, Donna Summer, Gloria Gaynor, Chic und wie sie alle heißen. Diese Discoplatten meiner Eltern sind eine lebenslange Inspiration.

Wie sehr bezieht sich "Disco" auf diesen Sound?
Wir legen es locker aus. Die Absicht war, meine eigene Version von Disco zu machen. Nicht alles auf diesem Album erinnert an die 70ies, es gibt auch Einflüsse aus den 80ern und Selbstzitate aus meinen frühen 2000ern, dieses Electro-Disco-Ding wie bei "Can’t Get You Out Of My Head" damals. Ich werfe das alles fröhlich zusammen. Dieses Album beinhaltet das, was du hören würdest, wenn du in meine Disco kämest.

Hast du viele verrückte Nächte in den Discos dieser Welt erlebt?
Als ich alt genug war, um ausgehen zu dürfen, nannte man die Discos schon Clubs (lacht). Bei uns in Melbourne durftest du ab 18 in die Clubs rein, und das bin ich dann auch. Natürlich hatte ich es auch schon mit 16 und mit 17 probiert, bloß war es echt schwierig für mich.

Warum?
Weil ich selbst mit 18 nicht wie 18 aussah. Geschweige denn vorher. Ständig kam ich nicht rein. Das war eine echte Reifeprüfung. Meine Freundin und ich lachen noch immer über diese eine Nacht, als wir einfach vor der Tür stehen gelassen wurden. Wir konnten machen, was wir wollten. Keine Chance. Später dann, Anfang der Neunziger so zwischen 21 und 25 ungefähr, war Clubbing ein total wichtiger Teil meines Lebens. Ich liebte es. Ich war mittlerweile in London, und dort so ein bisschen Teil einer Szene, und es war einfach jede Nacht was los. Ich war bestimmt ein bis zwei Mal pro Woche so lange unterwegs, bis die letzten Clubs zumachten und wir auf die Straße gefegt wurden, wo wir uns mit der Frage "Wo gehen wir jetzt als nächstes hin?" beschäftigten. Ich wollte oft noch nicht ins Bett.

Weihnachtlich festlich geht es auf Kylie Minogues neuem Album nicht zu. Stattdessen ist fetzige Partystimmung angesagt.

Weihnachtlich festlich geht es auf Kylie Minogues neuem Album nicht zu. Stattdessen ist fetzige Partystimmung angesagt. © Steve Vas/ Imago

In letzter Zeit wird viel über die Spaltung der Gesellschaft diskutiert. Bei deinen Songs wie "Say Something", in dem du ausdrücklich übers Zusammenhalten singst, haben alle Spaß - Frauen, Männer, Alte, Junge, die LGBTQ-Gemeinde. Willst du mit deiner Musik die Gräben überwinden?
Ohne jetzt übermäßig dramatisch klingen zu wollen: Ja! Ich glaube fest daran, dass eine Gemeinschaft immer stärker ist als Einzelne. Ich finde es immer schon super, dass zu meinen Konzerten wirklich alle erdenklichen Leute kommen. Und auch in einer Disco, in einem Club kommen die Leute zusammen und feiern gemeinsam. Die Idee der Inklusion, des Wir-schließen-niemanden-aus, der Gedanke des Freiseins, all das hast du in einem Nachtclub, wenn du mal so richtig die Sau rauslässt. Wir Menschen müssen uns verlieren, um uns zu finden. Das Leben ist nicht nur Arbeit und Pflicht. In Orten wie Clubs wächst du über dich hinaus. Eine Nacht auf der Tanzfläche kann dich glücklich machen. Oh Mann, bis auf Weiteres findet das alles nur in unserer Phantasie statt.

Welche Form der Magie besingst du in deiner neuen Single "Magic"?
Speziell in diesem Jahr finden wir Magie an unerwarteten Orten. Bei all den Härten, Dunkelheiten und Tragödien sehen wir diese Tage auch überall Freundlichkeit und Sonnenstrahlen des Menschlichen. Aber der Song selbst, der behandelt natürlich die Art der Magie, die in der Luft liegt, wenn du jemanden triffst und kennenlernst. Das ist die Magie der unendlichen Möglichkeiten, die dir durch den Kopf schwirren.

Du kennst dich aus mit solchen Augenblicken?
Mein Gott, und wie. Ich glaube sehr an diese Magie des Moments. Ich liebe sie und beschwöre sie auch immer wieder gern herbei. Ich bin von Natur aus neugierig und vom Naturell her schnell erregt und eingenommen von Ereignissen oder Menschen, die ich noch nicht erfahren habe, die ich noch nicht kenne. Neue Chancen und Gelegenheiten elektrisieren mich.

Bittere Trennung 2017: Kylie Minogue und ihr damaliger Lebensgefährte: der Schauspieler Joshua Sasse.

Bittere Trennung 2017: Kylie Minogue und ihr damaliger Lebensgefährte: der Schauspieler Joshua Sasse. © ARRIZABALAGA/Germana (dpa)

Wie viel Magie lag denn in an jenem Abend in der Luft, an dem du vor zweieinhalb Jahren deinen Freund Paul Solomon, den Kreativdirektor der britischen Zeitschrift GQ, kennengelernt hast?
Ich muss sagen, ich bin ohne große Erwartungen an dieses Treffen herangegangen. Ich glaube nicht daran, dass das Leben verläuft wie der Inhalt eines Kitschromans. Ich fand auch, ich hätte mich an diesem Abend ganz cool verhalten, so wie immer. Es war ja auch kein Date, sondern wir haben uns mit mehreren Freunden getroffen.


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Warst du wirklich so cool?
Meine Freunde behaupten bis heute, sie hätten mir auf Anhieb angesehen, dass mir Paul gut gefällt (lacht). Also: nein, in Wahrheit war ich wohl alles andere als cool.

Wolltest du dich überhaupt wieder neu verlieben?
Ganz und gar nicht. Ich war nicht auf der Suche. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich war ganz zufrieden damit, meine Ruhe zu haben und mein Leben nach meiner eigenen Facon zu leben.

War die Sache mit Paul gleich an diesem ersten Abend klar?
Wir hatten eine Verbindung und haben unsere Telefonnummern ausgetauscht. Aber es ist jetzt nicht direkt an Ort und Stelle irgendwas gelaufen.

Du hattest seinerzeit, im Frühjahr 2018, gerade das Album "Golden" rausgebracht, auf dem es vor allem um die Trennung von deinem Verlobten, dem Schauspieler Joshua Sasse, ging.
Machen wir es kurz: 2018 traf ich Paul, was vieles für mich zum Guten und Schönen gedreht hat. Aber 2017 war ein richtig, richtig mieses Jahr für mich. Nicht bloß mein Herz war gebrochen - sondern ich insgesamt, als Person.

Sind diese Brüche heute verheilt?
Bis auf ein paar Narben. Die aber werden nie mehr ganz verschwinden. Wäre dem nicht so, dann wäre es ja gleich auch egal gewesen, dann hätte ich nicht so viel investiert in die Beziehung. Die emotionale Hölle, die Selbstzweifel, dieses "Wie habe ich das geschehen lassen?" und "Was ist mir übel mitgespielt worden" – das gehört jetzt alles auch zu mir. Ich will nicht immer so dramatisch daherreden, aber eine Trennung wie diese formt dich als Person und sie wird fester Bestandteil eines mit den Jahren immer höher werdenden Berges an tollen wie traumatischen Erfahrungen.

Vergleichen mit "Golden" ist "Disco" aber keine Therapieplatte?
Nein, das habe ich erledigt. Therapiearbeit musste ich dieses Mal nicht leisten. "Disco" ist eine Feierplatte mit kleinen melancholischen Einsprengseln.

Ich will jetzt auch nicht zu dramatisch fragen, trotzdem: Ist es dieses Mal für immer?
Was, meine Beziehung?

Ja.
Nein, das ist nicht zu dramatisch. Das ist optimistisch. Ich habe jemanden getroffen, wir haben eine wirklich großartige Verbindung und eine tolle Zeit zusammen. Ich schaue hoffnungsfroh in eine Zukunft mit diesem Mann, Paul ist wirklich toll.


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Du sagst über "Disco", dies sei ein erwachsenes Pop-Album. Siehst du dich selbst denn überhaupt als eine Erwachsene?
Das ist eine knifflige Frage. Einerseits, andererseits, würde ich sagen (lacht). Ich bin 52 Jahre alt, natürlich denke ich darüber nach, wie ich in die ganze Popwelt hineinpasse. Mein Kopf und mein Bauch sagen mir, dass ich immer noch in der Lage sein will, Dance Music zu machen. Ich denke, man ist nie zu alt für eine gute Zeit. Von daher: Ich bin eine erwachsene Frau, die erwachsene Disco-Musik macht, aber das Leben hat mich meiner Jugendlichkeit noch nicht berauben können.

Du hast im vergangenen Sommer einen rekordbrechenden Auftritt beim Glastonbury-Festival gehabt. Wie hast du den Abend in Erinnerung?
Das war eine der wunderbarsten und atemberaubendsten Nächte meines Lebens. Das Erlebnis war nicht von dieser Welt. Es war eine weitere Form von Magie.

Wie wirst du den heutigen Abend verbringen, gibt es so etwas wie eine Kylie-Corona-Routine?
Wir werden uns was Leckeres kochen, mein Freund und ich. Dann vielleicht eine Serie und vor dem Schlafen ein Anruf bei meiner Familie in Australien. Ich bin einer der wenigen Menschen in diesem Land, der noch nicht angefangen hat, Brot zu backen (lacht). Dieses Hobby spare ich mir noch auf. Bis dahin habe ich mir vorgenommen, dankbar zu sein für das, was wir haben und was wir tun können und nicht zu motzen über das, was wir gerade nicht tun können.
Interview: Steffen Rüth

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