Reichsparteitagsgelände

NS-Erbe: Wie soll es rund um den Dutzendteich weitergehen? Die Diskussion läuft

22.9.2021, 17:17 Uhr
Die Spiegelwiese am Dutzendteich wird im Rahmen der „International Public Summer School“ zum Ort der Kommunikation – mit einer Ausstellung, aber auch mit Lesungen wie der von Pedro Kadivar aus seinem „Kleinen Buch der Migrationen“.

© Xiaotian Li, NNZ Die Spiegelwiese am Dutzendteich wird im Rahmen der „International Public Summer School“ zum Ort der Kommunikation – mit einer Ausstellung, aber auch mit Lesungen wie der von Pedro Kadivar aus seinem „Kleinen Buch der Migrationen“.

Die Ausstellungsbesucher kommen mit Hund und Kinderwagen, haben Walkingstöcke oder Fahrräder dabei: Auf der Spiegelwiese direkt am Dutzendteich beugen sie sich über Tische, die "Bilder vom Gelände" zeigen. Vom ehemaligen Reichsparteitagsgelände natürlich.

Dort findet nun erstmals die "International Public Summer School" statt, gemeinsam organisiert von drei Hochschulen und dem Nürnberger Verein BauLust. Die interdisziplinäre Mischung aus Aktionen, Vorträgen, Tagung, Workshops und Präsentation steht unter dem Motto: Raus aus den Fachkreisen, wo die Elite über den Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände diskutiert, raus auf die Wiese.

"Der Wahnsinn, was hier passiert"

Das scheint zu funktionieren: "Es ist der Wahnsinn, was hier passiert. Egal, ob Sportler oder Flaneure, es sind immer Leute da, die vom Uferweg auf die Wiese abbiegen, und man kommt sehr schnell ins Gespräch", sagt Mitorganisator Peter Wendl von der Nürnberger Kunstakademie. Denn das sei das Ziel: Kommunikation und Austausch über das Gelände, seine Nutzung, seine Geschichte und Zukunft. Die Macher sind dafür vor Ort.

Dass Kunst und Kultur am ehemaligen Reichsparteitagsgelände einen Raum haben sollen, wird lange schon gefordert. Passiert ist in der Richtung nie etwas. Womöglich auch weil der "Stuhlturm" von Olaf Metzel zur Fußball-WM 2006 ein Trauma hinterlassen hat. Wenn die Menschen schon wegen Kunst auf dem Hauptmarkt auf die Barrikaden gehen, was mag dann erst Kunst auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände auslösen?

"Größte genehmigte Kunstaktion"

"Wir machen die bislang größte genehmigte Kunstaktion hier", sagt Christof Popp von BauLust über das unter anderem vom Nürnberger Leonardo-Zentrum, der Bayerischen Architektenkammer und der Stadt Nürnberg unterstützte Projekt. Damit spielt Popp natürlich auf das schlagzeilenträchtige "RegenbogenPräludium" an, das im Vorjahr von einer anonymen Künstlergruppe an der Zeppelintribüne angebracht wurde – ohne Genehmigung der Stadt. Eine Aktion, die bundesweit Wellen schlug und die Diskussion um den Umgang mit dem Gelände anheizte.

Bereits im März hatten Wendl und seine Architektur-Kolleginnen von der Technischen Ohm-Hochschule in Nürnberg und der TU Wien mit den Vorbereitungen für ihr Labor am Dutzendteich begonnen. "Das Gelände" war ein Schwerpunkt des Semesters. Die Studenten haben es mit ihren Mitteln vermessen, verändert, bespielt, kommentiert und dokumentiert. Und sich dabei mit scheinbar so simplen Fragen wie der auseinandergesetzt: Wie groß war das Reichsparteitagsgelände?

In Streifen zerteilt

Auf einem der Ausstellungstische zeigt Dozentin Xiaotian Li eine Luftaufnahme von heute und animiert die Betrachter, die Grenzen des einstigen Reichsparteitagsgeländes mit den Fingern abzufahren. Auf anderen Tischen finden sich historische Fakten zum Nachlesen, kritische Auseinandersetzungen, aber auch Fotografien von künstlerischen Aktionen, die nun an einzelnen Stellen auf dem Gelände stattfanden. Das wurde dafür gedanklich in acht Streifen geteilt. Jede Studentengruppe bekam eine Zone zum Erkunden. "Unsere ging vom Hauptbahnhof bis nach Langwasser, vier bis fünf Stunden sind wir sie abgelaufen", sagt Architekturstudentin Julia Savchenko.

An einer Stelle, die sie besonders interessiert, sollten die jungen Leute dann aktiv werden. Julia Savchenko und ihre Kommilitonen taten es am Hiroshima-Platz vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der früheren SS-Kaserne, also einem der Orte, wo entscheiden wird, wer im Land bleiben darf. "Auf einer großen Plakatwand haben wir Stichworte wie ,öffentlicher Raum’ oder ,historische Last’ geschrieben und wollen nun die Assoziationen und Meinungen der Leute, die daran vorbeikommen, sammeln", erklärt sie.

"Kommunikative Projekte"

Die Plakatwand ist nur ein Beispiel für die Ideen der rund 25 beteiligten Studenten. "Es sind kleine Projekte, aber alles sehr kommunikative", sagt Wendl und hofft, dass sie Türöffner für weitere Kunstaktionen auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände sind.

Die Ausstellung auf der Spiegelwiese am Dutzendteich (Alfred-Hensel-Weg) ist noch bis Sonntag zu sehen. Heute und morgen gibt es eine Tagung, die man auch im Livestream verfolgen kann. Weitere Informationen unter gelaende.org

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