Nürnberger will "Lindenstraße" zurück ins deutsche TV holen

16.1.2019, 05:58 Uhr
Die "Lindenstraße" genießt Kultstatus in Deutschland.

© Fotoreport WDR/WDR/dpa Die "Lindenstraße" genießt Kultstatus in Deutschland.

Erstmals in der deutschen TV-Geschichte werden treue Zuschauer unter dem Motto "Ich bin Lindenstraße" für den Erhalt ihrer Lieblingsserie demonstrieren – zweimal in Köln, einmal in München.

Einer der Initiatoren für die Kundgebungen ist der Nürnberger Jörg Flöttl. "Wir wollen unserer Wut Ausdruck verleihen", sagt der eingefleischte "Lindenstraße"-Fan. Gemeinsam mit rund einem Dutzend Organisatoren hat er die erste Demo in Köln vorbereitet – sie ist auf ihn angemeldet. Der studierte Diplom-Pädagoge ist überwältigt vom Engagement und der Opferbereitschaft der Community: "Einige Fans verzichten auf ihren Urlaub und spenden Geld, um ihre Serie zu retten. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben."


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Wie viele Fans letztlich zu den Demos kommen, ist bislang ungewiss. Noch immer suchen die Organisatoren Redner, die am kommenden Samstag auf dem Roncalliplatz nahe dem Kölner Dom sprechen wollen. Auf einer Riesenleinwand werden in einer Dauerschleife "Lindenstraße"-Fans mit ihrem Statement abgebildet, warum die Serie nicht sterben darf. Im Internet kann man dazu sein Foto mit einer persönlichen Stellungnahme hochladen.

Der 40 Jahre alte Flöttl ist wie viele seiner Mitstreiter mit der Serie des fränkischen Produzenten und Autors Hans W. Geißendörfer groß geworden: "Es war bei uns Familientradition, dass man am Sonntagabend diese halbe Stunde mit Kindern und Oma vor dem Fernseher saß." Als Erwachsener reiste er selber mehrfach ans Filmset nach Köln, spielte als Komparse mit und traf viele der Serien-Darsteller auch persönlich.

Auf einem "Lindenstraße"-Schild haben ihm die Schauspieler ihr Autogramm gegeben. Klar, dass sich der glühende Fan der ersten Stunde mit der Absetzung der Serie nicht abfinden kann und will. Man werde der ARD auch über die Protestaktionen hinaus die Stirn bieten – "zur Not bis zum Sommer. Schließlich zahlen wir Gebühren für gutes Fernsehen!"

Jörg Flöttl will die Lindenstraße zurück ins deutsche TV holen.

Jörg Flöttl will die Lindenstraße zurück ins deutsche TV holen. © Foto: privat

Allein auf Facebook haben sich seit November mehrere Gruppen gebildet mit inzwischen mehr als 25 000 Mitgliedern. Auch Flöttls Facebook-Seite "Lindenstraße forever" wächst und wächst. Die Bewegung zeige, "dass die Menschen die ,Lindenstraße‘ nicht verlieren wollen". Was die Serie jedem einzelnen bedeute, sei in den vielen Kommentaren zu lesen. "Der Protest kommt aus unserem Herzen", sagt Flöttl.

Das beweist neben einer Petition an ARD und WDR auf der Plattform openPetition auch eine Kollektion von Fanartikeln, die man im Netz bestellen kann, um seine Haltung zu zeigen: T-Shirts und Sweatshirts in blau und weiß tragen so klangvolle Sprüche wie "Alles im Eimer ohne Mutter Beimer", oder "Kult kommt niemals aus der Mode", aber auch den Insider-Slogan "Sodom und Gomera" – eine unvergessene Redewendung von Putzfrau Else Kling, wenn sie die Zustände in der "Lindenstraße" beschrieb.


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Ruft man bei der "Lindenstraße" in Köln an, so ist im Gespräch eine gewisse Anerkennung und Genugtuung herauszuhören, "was die Fans da alles auf die Beine stellen"! Namentlich zitiert werden möchte man aber nicht. "Der Protest ist allein die Sache der Fans", heißt es. Auf die Stimmung der Schauspieler bei den Dreharbeiten wirke sich die Nachricht vom nahenden Serien-Tod im März 2020 nicht negativ aus: "Das sind Profis, da muss man den Schalter umlegen können."

Gleichwohl haben sich auch die Ensemblemitglieder öffentlich geäußert – dankbar und kritisch. So sendet Designer und Schauspieler Moritz Zielke, der seit 25 Jahren den Momo Sperling verkörpert, "10 000 Millionen Dankeschöns an alle Fangruppen und Fans hier auf Facebook und da draußen, die so großartig für die ,Lindenstraße‘ einstehen und kämpfen. Ihr seid die Besten!"

Abschiede immer auch Neuanfang

Seine langjährige Serien-Partnerin Rebecca Simoneit-Barum – in der "Lindenstraße" die Iffi Zenker – schrieb in einem Gastbeitrag für die Jüdische Allgemeine (JA) über ihren Seelenzustand: "Es fühlt sich an wie ein angekündigter Tod oder wie das angekündigte Ende einer Beziehung; ein Jahr machen wir noch, aber dann ist Schluss." Wohl kaum eine Rolle machte in der Serie eine derartige Entwicklung durch wie ihre: "Die Lindenstraße ermöglichte mir ein paralleles, zweites Leben, in dem einiges los war, von der Schwangerschaft mit 15 zur – für ihn – tödlich endenden Affäre mit dem Schwiegervater, zwei Ehen und zwei Scheidungen, zwei Kinder, zwei Fehlgeburten und eine Abtreibung, eine beispiellose Karriere von der Fahrradladenbesitzerin zur Diplom-Biologin mit dreijährigem Australien-Aufenthalt bis hin zur derzeit glücklichen Geliebten eines haarigen Verschwörungstheoretikers mit leichter Rechtslastigkeit," fasst Simoneit-Barum zusammen.

Dennoch fällt es der Schauspielerin, die aus der Zirkus-Familie Barum stammt, schwer, "ins allgemeine Klagen einzustimmen". Sie hoffe, dass "Abschiede auch immer einen Neuanfang bedeuten," sagt sie.

Anders sieht das Marie-Luise Marjan, die seit der ersten Folge im Jahr 1985 als Helga Beimer in der "Lindenstraße" zu sehen ist: Die 78-jährige Schauspielerin erklärte unlängst in einem Interview zum geplanten Serien-Schluss: "Man kann Entscheidungen durchaus überdenken. Ich glaube noch nicht ans endgültige Lindenstraßen-Aus."

Tatort-Kommissar macht sich für "Lindenstraße" stark

Zudem sei sie überzeugt: "Wenn die Fans uns weiterhin den Rücken stärken, dann müssen die Verantwortlichen reagieren." Auch Schauspieler und Münsteraner "Tatort"-Kommissar Axel Prahl macht sich für die "Lindenstraße" stark. In einer Videobotschaft lobt er die Tagesaktualität der Serie und hofft "dass es eine Chance gibt, die ,Lindenstraße‘ wiederzubeleben".

 

Kurz nach der Verlautbarung vom Ende der Serie hatten sich auch Vater und Tochter Geißendörfer verärgert zu Wort gemeldet. Wenn die ARD hohe Produktionskosten ins Spiel bringe, dann sei das nicht richtig: "Geldmangel ist lächerlich. Die haben genug Geld in der ARD", wird Hans W. Geißendörfer, der die Serie in Anlehnung an das Mietshaus in seiner fränkischen Heimatstadt Neustadt an der Aisch erfunden hat, im Berliner Tagesspiegel zitiert. Die "Lindenstraße" habe "sehr, sehr wenige werbemäßige Unterstützung der ARD" erhalten, sagte Geißendörfer damals. Und Tochter Hana Geißendörfer fügte hinzu: "Wir wären bereit, weiterzumachen, mit wem auch immer."

Dass die Kultserie von einem anderen Sender oder einem Streamingdienst wie Netflix gerettet wird, hoffen auch die Fans. Deshalb fordern sie am Samstag in Köln und am 2. Februar in München: Die "Lindenstraße" muss bleiben!

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