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"Pokémon"-Fans treiben die Preise für Sammelkarten in die Höhe

24.3.2021, 15:47 Uhr

© Julien Fertl

Wer das schon nicht versteht, kann sich auf die in diesem Artikel genannten Summen freuen, die Leute für einzelne Karten auf Auktionsplattformen im Netz bezahlen. Aber woher kommt das große Interesse? Und was macht solche Sammelkarten überhaupt wertvoll?

Es ist stets das gleiche Bild in den Videos: zwei Hände in Nahaufnahme, manchmal mit weißen Samthandschuhen, die leicht zitternd eine bunte Tüte aufreißen. Dann sortieren die Hände die verdeckten Karten, um die Spannung zu steigern. Erst danach startet das Sichten des genauen Inhalts vor den Augen der Zuschauer. Mit Glück gibt es am Ende eine Ekstase.


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In den Boostern, so heißen die bunten Tüten des Sammelkartenspiels von Pokémon, befinden sich jeweils zehn verschiedene Karten. Vor dem Öffnen ist der genaue Inhalt der Booster nicht ersichtlich, nur aus welchem Set die Karten stammen.

In den Boostern befinden sich mehrere häufige Karten, ein paar wenige nicht so häufige Karten – und eine seltene Karte. Eine der begehrtesten Inhalte aus den Boostern derzeit: Glurak VMAX als Rainbow Rare. Dies ist eine noch seltenere Variante (in bunteren Farben und mit glitzerndem Effekt) einer seltenen Karte. Auf der Auktionsplattform ebay steht diese einzelne Karte zum Verkauf von mehreren Anbietern für Preise um die 300 bis 400 Euro. Und Käufer schlagen zu. Nur warum?

"Es ist der blanke Irrsinn", sagt Stefan Will vom Nürnberger Laden "Ultra Comix". Seit über 30 Jahren beschäftigt er sich mit Brettspielen und Sammelkarten. Täglich kommen derzeit Anrufe und Mails mit Anfragen zu Pokémon-Sammelkarten rein. "Das kommt daher, dass die Leute in der aktuellen Situation etwas gelangweilt sind."

Selbst bei Kontaktbeschränkungen lassen sich eben Booster vor der heimischen Webcam öffnen. Doch wichtiger: YouTube und andere Streaming-Plattformen. "Das hat die Geschäfte befeuert."

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Seit Anfang des Jahres öffnen auch Stars in den Sozialen Medien Pokémon-Booster vor der Kamera, kaufen dafür teilweise ungeöffnete Kartensets aus der Zeit vor der Jahrtausendwende für fünfstellige Beträge. Einer der bekanntesten US-Streamer Logan Paul riss Ende Februar in einem Stream mehrere Booster auf, deren Sets er nach eigener Aussage für teilweise sechsstellige Beträge gekauft hatte.

Es herrscht Goldgräberstimmung

Jedoch geht es wie so oft auch viel um gute Öffentlichkeitsarbeit, die solche Preise dann über Auktionen weiter in die Höhe treibt. Mehr als 100.000 Zuschauer sahen bei Pauls Stream zeitweise zu. Auch zahlreiche deutsche Streamer und YouTuber öffnen längst direkt vor der Kamera Päckchen mit Pokémon-Karten, etwa der Social-Media-Star Unge.

"Es ist nicht zwingend ein Hype um das Spiel, es herrscht Goldgräberstimmung", so Stefan Will. "Die Zielgruppe des Spiels hat derzeit kaum eine Chance, an das Produkt zu einem angemessenen Preis zu kommen." Heißt: Kinder, Jugendliche und Leute, die einfach nur das Spiel spielen wollen, finden derzeit fast nur ausverkaufte Produkte im Internet und den Geschäften. "Der Markt ist leer", sagt der 50-Jährige.

Händler können derzeit nur schwer vorbestellen; manche Zwischenhändler haben die Ware aus dem Sortiment genommen; wann Nachschub kommt, ist bei machen Produkten nicht bekannt – und Spieler kommen so nicht mehr an die Karten. Und das alles, weil die derzeitigen Käufer investieren wollen. Und wer investieren will, muss schnell sein, bevor die Ware nicht mehr verfügbar ist.

Manche Käufer lassen die Päckchen unverschlossen, um sie Jahre später mit Gewinn zu verkaufen – eben weil sich nicht sagen lässt, was für Karten sich darin befinden. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist offen. Ein Hype kann auch wieder vorbei sein. Jedoch: Wer aus dem ersten Set an Karten von 1999 noch einen ungeöffneten Booster findet, kann dafür aktuell bis zu 1500 Euro verlangen – und Käufer dafür finden.

Hohe Preise für einzelne Karten

Eine gute Wertsteigerung für eine Sache, die sich vor mehr als zwanzig Jahren vom Taschengeld kaufen ließ. Wer übrigens günstigere Angebote im Internet findet, die nur Preise von 30 Euro aufrufen: Hierbei handelt es sich um die leere Hülle der Booster. 1999 nannte man das noch Verpackungsmüll!

Doch auch einzelne Karten können hohe Preise erzielen. Bekannte Figuren aus den Videospielen und der Serie wie Glurak oder Pikachu sind besonders begehrt. Dafür müssen sie als Karten im Spiel nicht einmal besonders gut sein. Die Pokémon Company selbst äußert sich übrigens zu der Lage um ihr Sammelkartenspiel aufgrund der vielen aktuellen Anfragen nicht.

Mittlerweile gibt es sogar Ratingagenturen, die eingeschickte Karten bewerten. Hier kommt es dann darauf an, dass die Karten "boosterfrisch" sind und einen perfekten Druck haben. Nach der Bewertung, die aktuell bei manchen Agenturen bis zu 6 Monaten dauern kann, erhält der Auftraggeber die Karte in einer Hartplastikhülle zurück, damit der Zustand versiegelt bleibt.

Pokémon-Karten spielen hier jedoch eine vergleichsweise kleine Rolle: Die Karte "Black Lotus" des Spiels "Magic: The Gathering" verkaufte sich bei einer offiziellen Auktion Anfang des Jahres für über eine halbe Million US-Dollar. Neben der perfekten Wertung hatte auch der Künstler der Illustration noch auf der Hartplastikhülle unterschrieben.

Die Investition ist jedoch nicht sicherer als bei anderen Wertpapieren. "Es kann funktionieren. Es muss nicht funktionieren", sagt Will. Aber natürlich gibt es mittlerweile Finanzinvestoren und eben Privatkäufer, die dieses Risiko eingehen. Ob die Preise allerdings länger als der aktuelle Hype halten? Dass es mit der Liebe zum Spiel nicht weit ist, zeigen manche Videos, in denen die Streamer nicht einmal die Namen der Karten kennen. "Dabei ist das Spiel an sich ja super", sagt Will.

Im Ultra Comix selbst gibt es derzeit nur noch Restbestände von Pokémon-Sammelkarten. "Wir sind auch bemüht, die Zielgruppe und nicht die Goldgräber zu bedienen." Also Kinder und Jugendliche – für die ein Nachmittag mit Freunden und den Karten zum Spielen das Wertvollste an der Sache sein dürfte.

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