Schicksalhafte Bande: "Cronofobia"

19.2.2020, 18:30 Uhr
Schicksalhafte Bande:

© Foto: Perlenfilm

Es gibt Filme, die beginnen mit einer dramatischen Schlüsselszene, um die herum sich dann die Geschichte aufbaut. Und es gibt solche wie das Kino-Debüt von Francesco Rizzi, das den Zuschauer erst einmal ausgiebig auf die Folter spannt. Lange erfährt man nichts über den geheimnisvollen Mann im weißen Lieferwagen, der die schlaflose Bewohnerin eines Bungalows beobachtet und sie sogar beim Joggen in der Morgendämmerung verfolgt.

Ob er einen Einbruch plant, ob er die einsame Frau, die Anna heißt, stalkt oder einer verflossenen Liebe nachhängt – es darf gerätselt werden. Bald klar wird nur, dass beide etwas Schwerwiegendes zu verarbeiten haben und jeder auf seine Weise seltsam unbehaust ist. Er, Michael, wohnt gleichsam in seinem Van, in den Anna urplötzlich einsteigt – auf der Flucht vor ihren Eltern, die ihr ungefragt beistehen wollen . . .

Wer sind diese zwei Figuren, was haben sie miteinander zu tun? Das bleibt passend zur regennassen Tristesse dieser sehr stilbewussten Szenen vorerst im Dunkeln. Ein bisschen Psychodrama, ein bisschen Krimi-Atmosphäre mischt sich so in den Film. Doch was in den ersten Minuten tatsächlich spannend ist, macht auf Dauer ungeduldig. Rizzi zerdehnt die Zeit, was wiederum den Titel seines Films spiegelt: Wer unter Chronophobie leidet, fürchtet das Verstreichen der Zeit.

Dabei stecken Anna (Sabine Timoteo) und Michael (Vinicio Marchioni) eher in der Vergangenheit fest. Kurz bevor man das Interesse an ihrer Geschichte verliert, legt der Regisseur einen neuen Köder aus: Michael bekommt langsam Struktur als Testkunde, der in immer neuen Outfits und im Auftrag einer Agentur die Mitarbeiter von Geschäften auf ihre Dienstleisterqualitäten prüft – und im Zweifel denunziert.

Eine Spur Sozialkritik fließt da mit ein, doch das ist nicht Rizzis Thema. Er konzentriert sich wie in einer kühlen Versuchsanordnung auf die Beziehung zwischen seinen Hauptfiguren. Zu verraten, was die beiden verbindet, wäre gespoilert. Nur soviel: Es geht um Trauer, um eine monströse Schuld und deren Sühne. So beginnt ein Spiel, bei dem keiner gewinnt. Schon gar nicht der konturlose Michael, der sich von seiner Chefin ebenso steuern lässt wie von Anna.

Nach langem Ringen finden die beiden eine reinigende Lösung. Doch selbst das beobachtet man eher distanziert. "Cronofobia", ein Film, der gut aussieht, gestalterische Stärken hat, mit dem man aber kaum warm wird. (90 Min.)

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