Selbstzweifel, Rechtsruck und Avicii - Thees Uhlmann im Gespräch

4.12.2019, 12:40 Uhr
Sechs Jahre lang war es ruhig geworden um den Musiker Thees Uhlmann. Zwar schrieb der 45-Jährige mit "Sophia, der Tod und ich" einen Bestseller-Roman sowie eine Hommage an die Toten Hosen, bei der Arbeit an seinem dritten Soloalbum aber schlitterte der frühere Tomte-Sänger in eine kreative Krise. Im September erschien nun "Junkies und Scientologen".

© Susann Prautsch/dpa Sechs Jahre lang war es ruhig geworden um den Musiker Thees Uhlmann. Zwar schrieb der 45-Jährige mit "Sophia, der Tod und ich" einen Bestseller-Roman sowie eine Hommage an die Toten Hosen, bei der Arbeit an seinem dritten Soloalbum aber schlitterte der frühere Tomte-Sänger in eine kreative Krise. Im September erschien nun "Junkies und Scientologen".

Ein Interviewtermin frühmorgens um 9.15 Uhr ist nicht gerade rock-star-like. Bist Du überzeugter Frühaufsteher?

Thees Uhlmann: Ich führe ein Leben wie die Bundeskanzlerin und sage: Vier Stunden Schlaf sind genug. Ich stehe wahnsinnig gerne früh auf und hatte schon immer wenig Interesse daran, Zeit zu verplempern.

Dann mal los. Dein neues Album war eine schwere Geburt, mit vielen Selbstzweifeln und einem kompletten Reset behaftet. Wie fühlt es sich an, diese Songs nun auf die Bühne zu bringen - und zu sehen, dass sie funktionieren?

Uhlmann: Es fühlt sich toll an. Dabei verlief gerade der erste Teil der Tour nicht ohne Probleme. Wir hatten einen Noro-Virus in der Band, unser Gitarrist musste ins Krankenhaus. Dann wurden es trotzdem tolle Auftritte. Für mich ist diese Platte etwas ganz besonderes, ich liebe sie sehr - auch wenn sie vielleicht nicht ganz einfach ist mit den langen Texten. Aber es geht eben nicht nur ums Konsumieren, sondern um Kunst. Und die Leute, die zu uns kommen, haben da auch Bock drauf.

Ist das Publikum aus Tomte-Tagen mit Dir alt geworden? Oder kommen auch Jüngere?

Uhlmann: Das ist bunt gemischt. Viele kennen mich auch nur vom Sophia-Buch und denken sich, den schauen wir uns jetzt mal an. Mein Lieblingspublikum sind übrigens Leute, die noch mal zehn Jahre älter sind als ich, Paul McCartney und Dire Straits hören und nur da sind, weil ihre Kinder ihnen gesagt haben: Hör dir mal den Uhlmann an, das könnte dir gefallen. Die wackeln dann zum Konzert, stehen rum und finden das, glaub ich, gar nicht so schlecht.

Deine Texte sind diesmal fast schon episch geraten. Konzept oder Zufall?

Uhlmann: Das war auch ein bisschen der Mut der Verzweiflung. Es heißt ja, Rockmusik sei ziemlich out. Dann kann man es auch gleich ganz anders machen. Meine Produzenten Simon Frontzek und Rudi Maier haben auch gesagt: Thees, es ist alles scheißegal. Wir sind nicht hier, um eine Hitsingle zu schreiben, sondern um eine tolle Rockplatte zu machen. Da hab ich mich dann einfach auch getraut, einen langen Song wie "Junkies und Scientologen" zu machen.

Es geht auch viel um Angst - ob als Hommage an Stephen King oder im emotionalen "Menschen ohne Angst wissen nicht wie man singt". Was bereitet Dir in Zeiten von AfD, Brexit, Trump und Klimawandel denn am meisten Sorgen?

Uhlmann: So Sachen wie AfD oder Trump bewerte ich nicht politisch, sondern eher psychisch. Was mir am meisten Sorgen macht, ist, dass die Leute gar nicht mehr willens sind, eine längere Diskussion zu führen. Es geht nur noch darum, im Internet schnell seine Meinung rauszuballern und zu zeigen, wie schlau man ist. Es findet nicht mehr dieser Dialog in der Dorfkneipe oder auf der Straße statt. Ich glaube, der Druck, sich im Internet ständig moralisch, politisch und emotional darstellen zu müssen, macht die Leute wahnsinnig.

Deine Kumpels von Kettcar haben zuletzt deutlich Stellung gegen rechts bezogen, bei Dir fällt die Gesellschaftskritik subtiler aus. Weil schon alles gesagt ist, was gesagt werden muss?

Uhlmann: Das Plakative ist einfach nicht meine Art. Ich bin ein politischer Mensch, aber kein politischer Künstler, ich habe mit der Musik angefangen, weil mir langweilig war. Ich bewundere Feine Sahne Fischfilet, die Toten Hosen oder Herbert Grönemeyer für ihr Engagement. Ich möchte da aber nicht andocken und sagen: Hey, ich bin übrigens auch gegen die AfD. Das wäre dann nur noch so ein Marketingding. Ich habe keine Lust auf diese klaren Statements, ich will das anders verpacken.

Wie autobiografisch geprägt sind Zeilen wie: "Du wartest auf die Liebe und ich auf das nächste Bier" oder "Menschen wie ich bleiben besser allein" – klingt ja doch etwas resigniert?

Uhlmann: Ich finde es ja toll, wenn Menschen lange in einer Beziehung sind und das alles funktioniert, mit Kindern und so. Ich habe aber irgendwann eingesehen, dass ich anders bin. Ich habe mein Herz an meine Freunde, an meine Tochter und an meine Familie verschenkt. Und ich war auf fantastischen Hochzeiten, aber beim Gedanken, ich müsste mal heiraten, zieht sich in mir alles zusammen. Das ist einfach nicht mein Ding. Es gibt Milliarden von Liebesliedern, aber hey: "Menschen wie ich bleiben besser allein" - das ist so ein Spruch, den auch Brad Pitt zu einer schönen Frau sagen könnte.

Eine andere schöne Textzeile: "Das Leben ist kein Highway, es ist die B 73". Braucht das Leben manchmal auch einfach ein Tempolimit? Oder lieber immer schön auf der Überholspur?

Uhlmann: Ich führe ja wirklich ein extrem normales Leben. Die Menschen, die immer Vollgas geben, melden sich in zehn Jahren beim Psychologen an, weil das doch keiner aushält. Die Lebensumstände verändern sich einfach. Für mich wäre es eine Katastrophe, wenn ich so leben und denken würde wie mit 25, ich wollte das auch nie. Ich finde es komisch, wenn man seine Jugend ständig verlängert. Das Leben braucht kein Tempolimit, es sollte sein wie das Grundgesetz: Immer schön nach den Regeln leben, aber wenn keiner guckt, kann man am Samstag auch mal ordentlich Spaß haben.

Fühlst Du Dich inzwischen mehr als singender Autor oder noch als schreibender Musiker?

Uhlmann: Beides ist gleichberechtigt, es kommt alles aus meinem Herzen. Manchmal ist eher die Zeit zum Schreiben, manchmal zum Musikmachen - die Architektur ist anders. Zum ersten Mal ein richtiges Buch zu schreiben, war auch für mich sehr aufregend und hart. Natürlich hast du ein bisschen Angst, dass die Leute sagen: Aha, der nächste schreibende Musiker, da ham’ wir gerade darauf gewartet. Und man hat Respekt vor den Autorenkollegen, ob man da überhaupt mithalten kann. Irgendwann habe ich mich wieder danach gesehnt, mit Leuten im Proberaum zu stehen und Songs zu schreiben.

Du widmest dem verstorbenen schwedischen DJ Avicii ein Lied und erwähnst die Scorpions, Fury In The Slaughterhouse oder Katy Perry. Alles Künstler, für die man in der Indie-Szene eher belächelt wird.

Uhlmann: Ist doch schön, wenn sich Leute über etwas aufregen. Immer nur Applaus zu kriegen, ist ja tendenziell eher langweilig. Katy Perry liebe ich heiß und innig. Und ich liebe die Musik von Avicii, auch wenn sich das vielleicht komisch anhört. Ich liebe aber auch Abba. Aviciis Suizid hat mich dann einfach traurig gemacht, auch aus der Sicht eines Vaters, der selbst eine Tochter hat. Meine Produzenten meinten, es hat eine totale Berechtigung, darüber zu singen, weil sonst keiner auf so eine Scheißidee kommen würde. Der Sache dann noch einen lyrischen Wert abzuringen, macht mir einfach Spaß.

In "Avicii" heißt es auch: "Elektronische Musik kann man sich so selten schön trinken". Mit was trinkt man sich denn die Musik von Thees Uhlmann am besten schön?

Uhlmann: Also ich trinke zu Rockmusik am liebsten Bier. Ich empfinde den Kram, den ich mache, als eher bodenständig. Und das bei euch ist ja nicht die schlechteste Biergegend...

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