Premiere am Staatstheater

"Stolz und Vorurteil* (*oder so)": Komödien-Remix auf der Sommerbühne

25.6.2021, 13:07 Uhr
Perfekter Stoff für die neue Sommerbühne vorm Staatstheater: "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" – da haben nicht nur Anna Klimovitskaya, Annette Büschelberger, Lisa Mies und Estelle Schmidlin (v.l.) Spaß.

© Konrad Fersterer/Staatstheater Nürnberg Perfekter Stoff für die neue Sommerbühne vorm Staatstheater: "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" – da haben nicht nur Anna Klimovitskaya, Annette Büschelberger, Lisa Mies und Estelle Schmidlin (v.l.) Spaß.

Ein Spaß, den wir uns im letzten Lockdown erlaubt haben, war ein gepflegter Jane-Austen-Abend im Heimkino: Die Romanze "Stolz und Vorurteil" erst in der bezaubernden Verfilmung von 2005 mit Keira Knightley und gleich hinterher die Mainstream-Trash-Granate "Stolz und Vorurteil und Zombies", die allerdings hinter den Erwartungen blieb (was vielleicht an den ein wenig müden Zombies lag).Zumindest die Idee aber schien vielversprechend: in die Jahre gekommene Literatur, die wenig mit unserem Hier und Heute am Hut hat, ein wenig aufzubohren, auf dass da wieder ein bisschen Dampf in den Kessel kommt...

Auch das Nürnberger Staatstheater scheint dem angestaubten britischen Romanklassiker nicht gänzlich zu vertrauen und greift für seine Inszenierung auf der neuen Sommerbühne (open air auf dem kahlen Platz vorm Schauspielhaus) auf eine Bearbeitung von Isobel McArthur zurück, die ebenfalls eine ergänzende Klammer im Titel trägt: "Stolz und Vorurteil* (*oder so)".

Doch ist die Geschichte wirklich so angestaubt? England vor 200 Jahren: Mrs. Bennet hat fünf Töchter, ihr einziges Problem ist, diese gewinnbringend an den Mann zu bringen, sprich: zu verheiraten. So weit, so öde. Dummerweise hat die gute Frau gar keine Alternative: Im England der Regency-Ära dürfen Frauen von Gesetzes wegen weder Geld noch Besitz erben. Und da die Familie Bennet zum verarmten Landadel zählt, tickt die Uhr: Läuten nicht asap die Hochzeitsglocken, ist der Oma ihr klein Häuschen schneller weg als die geplagte Mutter Bennet der nächste Tobsuchtsanfall ereilt.

So gesehen kriegt Austens Rührstück über den britischen Heiratsmarkt zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine soziale und ökonomische Kante: Hier geht es nicht ums Herz, hier geht es um die Ehe – um soziale Abhängigkeiten und finanzielle Absicherung. Liebe vergeht, Acker besteht. Und die Suche nach Mr. Right ist nur noch ein Luxusproblem.

Karaoke trifft Seifenoper

Mit Respekt für die historische Vorlage hat die schottische Schauspielerin, Musikerin und Schriftstellerin Isobel McArthur den berühmten Roman vom Zuckerguss befreit, hat Handlung und Dialoge ironisch gegen den Strich gebürstet, dem Klassiker einen ungezwungenen modernen Anstrich verpasst und das Stück als ironisch-schrille Pop-Revue zwischen Camp-Kult, Karaoke-Bar und TV-Seifenoper neu erfunden. Kein Wunder, dass sich dieser pfiffige Komödien-Remix gerade weltweit großer Beliebtheit an kleinen wie großen Bühnen erfreut.


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Dem Drehbuch aus Glasgow folgt auch Regisseur Christian Brey, am Staatstheater Nürnberg zuständig fürs leichte Fach ("Komödie mit Banküberfall"). Er legt eine genüsslich-überdrehte Tür-auf-Tür-zu-Komödie auf die Bretter und kann sich dabei voll auf sein beschwingtes Ensemble verlassen: Fünf bestens aufgelegte Schauspielerinnen (Julia Bartolome, Annette Büschelberger, Anna Klimovitskaya, Lisa Mies und Estelle Schmidlin) spielen alle Rollen und wuppen im fliegenden Wechsel 18 Figuren. Der einzige Mann an diesem Abend (Thomas Esser) bleibt stumm und darf noch nicht mal auf die nur von Blumen geschmückte Bühne.

Die Gesellschaftskritik im Stück lässt Brey an zwei drei Stellen kurz, aber deutlich aufblitzen. Der Rest ist ein Fest der guten Laune – eine einzige Abfahrt, bei der die Beteiligten nicht mal Angst vor wirklich flachen Flachwitzen kennen. Da Tempo und Gagdichte jedoch hoch sind, brennt hier auf über zwei Stunden Lauflänge nichts an.

Im Kollektiv wird hemmungslos gesungen und getanzt, geflucht und gelästert, geliebt, gestritten und gelitten. Zwischen atemlosen Kostümwechseln gibt es Glitter und Konfetti, Flamingos und ein Donnerblech, wir werden Zeuge eines Triangel-Solos und erleben die möglicherweise schlimmste Version des alten NdW-Gassenhauers "Da da da", die die Menschheit je vernommen hat .

Die erste Hälfte ist grandios, nach der langen Pause muss das Ensemble erst wieder Schwung holen, um dann mit Verve das große Finale zu zünden und im Beifall zu baden.

"Stolz und Vorurteil* (*oder so)" am Staatstheater ist genau die Produktion, nach der wir uns so lange gesehnt haben: sommerlicher Boulevard, ein launig-leichter Spaß unter freiem Himmel. Das rechte Stück zur rechten Zeit am rechten Ort. Hat das Zeug zum Publikumsrenner, soweit man bei limitierten Sitzplätzen von einem solchen reden kann . . .

Vorstellungen: "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" wieder am 25. und 27. Juni sowie am 3., 8., 9., 14., 15., 16., 17., 24. und 25. Juli.

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