Taylor Swift überrascht mit dem Album "Lover"

23.8.2019, 11:30 Uhr
Taylor Swift überrascht mit dem Album

© Evan Agostini/dpa

"The Man" heißt der vierte von satten 18, stilistisch ein weites Feld beackernden Songs auf dem Album, und in dieser grundharmonischen Nummer stellt sie sich vor, wie es so wäre, ein Mann zu sein. "I’d be a fearless leader. I’d be an alpha type", singt Swift, sie würde als furchtlose Visionärin und als Alpha-Männchen gelten.

"Alle meine Entscheidungen, meine Fehler, meine Erfolge würden anders betrachtet, wenn ich keine Frau wäre", so die 29-Jährige jüngst im Gespräch mit einem amerikanischen Modemagazin. Taylor Swift äußert sich also dezidiert feministisch. "Endlich", möchte man ihr zurufen. Aber nicht zu spät. In einer Welt, in der einiges ins Wanken geraten ist, setzt der Superstar ein paar Pflöcke. Taylor Swift als mündige, meinungsstarke Bürgerin – eine spannende Entwicklung.

So lässt sie etwa im Video zum aktuellen Hit "You Need To Calm Down" bekannte Gesichter aus der LGBTQ-Gemeinde auftreten. Wer es also bisher noch nicht geschnallt haben sollte, weiß spätestens jetzt: Swift, in Nashville eher in eine etwas konservative Welt hineingeboren, ist gegen jede Form der Diskriminierung und für Gleichberechtigung.

Keine Trump-Anhängerin

Im vergangenen Jahr verdammte sie die republikanische Senatskandidatin für Tennessee, Marsha Blackburn, regelrecht, als diese sich im Wahlkampf geringschätzig gegenüber nicht-heterosexuellen Partnerschaften äußerte.

Donald Trump schimpfte daraufhin auf Twitter, nun möge er Swifts Musik um 25 Prozent weniger, also allerdings immer noch ganz schön gern. Dabei stand sie lange im Verdacht, eine unausgesprochene Trump-Anhängerin zu sein, was nicht zutrifft. Sie hatte es nur vermieden, vielleicht auch versäumt, klar Stellung zu beziehen.

Taylor Swift hat Macht. In den USA noch deutlich mehr als in Europa. Mehr als 120 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram. Was sie sagt, hat Gewicht. Und stärker noch als ohnehin progressive Künstlerinnen wie Lady Gaga hat Swift auch Einfluss auf jene Klientel, die nicht unbedingt urban-modern lebt und denkt.

Immerhin hat dieses Mädchen früher Countrymusik gemacht, bevor ihr dieses Korsett zu eng wurde und sie anfing, auf ihren Alben "Red" (2012) und mehr noch auf "1989" (2014) den Pop zu umarmen – freilich immer noch mit starkem melodischen Kern und stets maßgeblich von ihr komponiert.

Taylor Swift wurde ja lange belächelt. Als hochaufgeschossenes, putziges Wunderkind mit den niedlichen Songs, das 2006 mit dem ersten Album "Taylor Swift" gleich ganz oben landete. Als das Girl, mit dem man sich als Junge besser nicht einlässt, weil es sonst ein fieses Lied über einen singt. Teilweise wurde Swift wegen ihrer Songs richtiggehend verarscht, während man einen Mann wahrscheinlich für seine Emotionalität gefeiert hätte.

Tatsächlich basieren Taylors Texte oft auf Tagebucheinträgen, das macht ihre Musik seit jeher verletzlicher und roher als die ganzen anderen Hits, die in Songwriting-Fabriken in L. A. oder Nashville zusammengeschustert werden.

Seit ein paar Jahren jedenfalls hält Swift sich nicht mehr höflich zurück. Sie siegt, ein Jahr vor #MeToo, vor Gericht gegen einen Radio-DJs, der sie bei einem gemeinsamen Foto befummelte. Sie beklagt sich öffentlich darüber, dass Scooter Braun, der Manager von Justin Bieber und Ariana Grande, ihre frühere Plattenfirma "Big Machine" und damit auch die Rechte an ihren alten Songs kaufte, was geschäftlich nicht zu beanstanden, aber für Swift halt unschön ist.

Gefragt, warum sie ihren Katalog nicht einfach selbst gekauft hätte, antwortete sie, sie investiere lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit. Nach 200 Millionen verkaufter Alben und mehrerer Rekordtourneen steht Swifts Vermögen bei geschätzten 325 Millionen US-Dollar. Und sie hat wohl endlich einen Schlussstrich unter die Dauerfehde mit Kanye West und seiner Frau Kim Kardashian gezogen.

Liebesbekenntnis

Auf "Lover" räumt Taylor Swift auf. Sich selbst, ihr Leben, ihre Karriere. Hervorstechendstes Merkmal der Swift’schen Häutung ist die Innigkeit und Offenheit, mit der sie über ihre Liebe zu dem britischen Schauspieler Joe Alwyn spricht. Hielt sie sich in privaten Dingen früher notorisch bedeckt, so sprudelt das Verliebtsein jetzt förmlich in Versform aus ihr heraus. Taylor selbst sagt: "Das Album ist ein Liebesbrief an die Liebe in all ihrer Glorie."

In "London Boy" adressiert sie Alwyn direkt, "Cornelia Street" handelt von Swifts damaliger Wohnung in Manhattan, wo sich die beiden anfangs heimlich trafen, "Paper Rings" trägt das Siegel der Verbundenheit bereits im Titel.

Echter Genuss

Musikalisch ist "Lover" ein echter, gefühlsintensiver Genuss. Spärlich instrumentiert mit Drums und Piano, produziert mit ihrem langjährigen Arbeitsfreund Jack Antonoff, hört sich die Nummer richtig schön nahbar an, erinnert fast schon an Alternative-Künstlerinnen wie Feist oder St. Vincent.

Am 13. Dezember wird Taylor Swift 30 Jahre alt. Es sieht danach aus, als werde sie den runden Geburtstag als genau die erwachsene Frau zelebrieren, die sie immer sein wollte und die sie endlich ist.

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