Thomas Bernhard in sprudelndem Klang

31.3.2008, 00:00 Uhr
Thomas Bernhard in sprudelndem Klang

© J. Zitzlsperger

die fröhlichste Idee für die Uraufführung einer trostlosen Oper. Die heißt «Der Hutmacher» und folgt einem Tondokument von 1968. Dort liest der Autor Thomas Bernhard seinen knapp fünf Schreibmaschinenseiten langen Text. Daraus ein Opernlibretto zu machen, Bernhard zu komponieren, scheint auf den ersten Blick ein verwegenes Vorhaben. Aber nur, wenn man Bernhards Liebe zur Musik samt Studium am Salzburger Mozarteum und ganz besonders den rhythmisch-musikalischen Duktus seiner Sprache nicht kennt.

Der ungarische Komponist József Sári (Jahrgang 1935, Professor an der Musikhochschule Budapest) hat es gewagt, Franz Csiky (Dramaturg, Journalist, Pressesprecher in Bruchsal) hat für ihn ein Libretto geschrieben, das Theater Regensburg wagte im Velodrom jetzt die Uraufführung und machte sie zur Chefsache: Intendant Ernö Weil übernahm die Inszenierung der spröden Studie, GMD Raoul Grüneis dirigierte die rund 20-köpfige Kammerbesetzung des Philharmonischen Orchesters, besetzt mit den Instrumenten des klassischen Orchesters.

Was bei Bernhard die quälend-peinliche Beichte des Hutmachers vor einem Rechtsanwalt ist, ein Monolog in typischem Bernhard-Fugato von sich wiederholenden Satzteilen, das formt Csiky in andeutungsweise dramatische Situationen um, die Personen, von denen der Hutmacher nur erzählt, treten auf: Sohn und Schwiegertochter, die den pensionierten Hutmacher im eigenen Haus ein Stockwerk ums andere ins Elend und schließlich in den Freitod treiben, die vier Kinder, die seinen Platz in der Beletage wollen und die der Regisseur als Karikaturen in Seppelhosen auftreten lässt.

Klappbares Haus

Eine Opernzutat wie aus der «Götterdämmerung»: drei Damen, die mit «Wa-wa-wa», Mikros und Handys Unheil künden. Es gibt Rezitative, Arien, Duette, viele musikalische Zwischenspiele, die immer wieder in die Gesprächssituation zwischen Hutmacher und Anwalt münden. Diese spielt in einer schräg über den Orchestergraben gebauten Kanzlei (Bühne: Frank Lichtenberg), hinter der sich die Stockwerke des Hutmacherhauses praktisch hochklappen lassen.

Die hundertminütige Kammeroper lebt von einem solistisch aufgelichteten, eloquent sprudelnden Klang, dazu einigen Leitmotiven. Damit wird die Einsamkeit des alten Hutmachers signalisiert, das seltsame Duett von Violine und Klangstäben deutet regelmäßig Unheil an, die Singstimmen werden virtuos geführt: Markus Ahme ist ein eindringlich-intensiver Interpret der Titelpartie, bestechend in perfekter Textverständlichkeit, Adam Kruzel sein stichwortgebender Anwaltspartner, Sohn und Schwiegertocher sind Karikaturen der Unmenschlichkeit.

Die zielgerichtete Spannung von Bernhards Text, die Unausweichlichkeit der Handlung kann Sáris Musik oft nur illustrieren, statt dass sie diese nachvollziehen würde. Die Sänger liefern ihre Arien oft statuarisch ab - und wenn der Hutmacher vom hohen Dachboden singt, dann natürlich in den höchsten Tenortönen. Die Zwangsläufigkeit von Bernhards Text wird ge- und zerdehnt, in den Mittelpunkt rückt dafür die bissige Kritik am Generationenkonflikt, an der Gebärmaschinenmutter. Kein Stück für Ministerin von der Leyen und am Ausgang die Frage eines Premierenbesuchers: «Und in welchem Stock bist du inzwischen angelangt?» Dieses sozialkritische Anliegen, die tonale, keineswegs verschreckende Musik Sáris, der perfekte Einsatz aller Mitwirkenden - für alles gab es die Bravi des voll besetzten Hauses.

Vorstellungen am 2., 4., 9., 25. April, Kartentel. 09 41/5 07 24 24.