Überleben im Reich der Finsternis

9.2.2012, 00:00 Uhr
Überleben im Reich der Finsternis

© NFP

Chaos und Armut herrschen im polnischen Lwów an der ukrainischen Grenze, dem heutigen Lemberg. 1939 besetzt Stalins Rote Armee die Stadt, zwei Jahre später sind es die Nazis. Jeder bestiehlt jeden. Juden bleibt nach der Liquidierung des Ghettos nur noch eine einzige Chance: die Flucht in die Kanalisation. Wer allerdings im Labyrinth der Kloake überleben will, braucht fachkundige Hilfe.

Keineswegs aus humanen Gründen bringt der polnische Kanalarbeiter Leopold Socha (Robert Wieckiewicz) eine Gruppe von Verfolgten in Sicherheit. Ignacy Chiger (Herbert Knaup), der etwas Geld und Schmuck retten konnte, entlohnt ihn, damit der Experte seine Frau (Maria Schrader), die Kinder und einige Freunde in Sicherheit bringt, mit Nahrung versorgt und nicht an NS-Häscher ausliefert.

„In Darkness“ ist die Geschichte vom Überlebenskampf in der Kanalisation – ein Holocaust-Film, der sich von vielen anderen abhebt. Die polnische Filmemacherin Agnieszka Holland ist für das Thema besonders sensibilisiert. In der Familie ihres Vaters sind viele Angehörige in einem Ghetto ums Leben gekommen. Zudem zeichnet sie Täter und Opfer als ambivalente Wesen, trennt nicht so scharf Gut und Böse wie etwa Steven Spielberg in „Schindlers Liste“.

Das wird vor allem an der Figur Sochas sichtbar: Er ist gleichzeitig Familienvater, Katholik, judenfeindlicher Ganove und ein Mensch, dem sein Mitgefühl nicht ganz abhanden gekommen ist. Nachdem er zunächst nur den Profit im Auge hat, entdeckt er bei sich überraschend menschliche Qualitäten. Dank seiner Hilfe überleben die Ausgegrenzten.

Was sie allerdings vorher durchmachen, geht über jegliches Vorstellungsvermögen hinaus: In den feuchten, übel riechenden Kanälen zwischen Ratten, Leichen und den eigenen Exkrementen entdecken der Gauner Mundek (Benno Fürmann) und die junge Klara (Agnieszka Grochowska) ihre Liebe füreinander, Kinder geben Konzerte, eine Frau gebiert ein Kind. Mit dunkel ausgeleuchteten, klaustrophobischen Bildern nimmt „In Darkness“ den Zuschauer auch visuell sehr eindrucksvoll in die Düsternis mit – und wird so zu einem bedrückenden, eindringlichen Kinoerlebnis. (PL/D/F/CDN/ 144 Min.; Cinecittà, Nürnberg)
 

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