Von Kostedde bis Asamoah

Verehrt und verachtet: Doku über dunkelhäutige Fußballer

15.4.2021, 16:00 Uhr
"In Deutschland musst du so sein wie Berti Vogts, dann kommst du gut durch", sagt Erwin Kostedde, der erste Deutsche mit dunkler Haut in der Fußball-Nationalmannschaft - hier 1975 beim Länderspiel gegen Griechenland zwischen Vogts (re.) und Erich Beer.

© Broadview Pictures "In Deutschland musst du so sein wie Berti Vogts, dann kommst du gut durch", sagt Erwin Kostedde, der erste Deutsche mit dunkler Haut in der Fußball-Nationalmannschaft - hier 1975 beim Länderspiel gegen Griechenland zwischen Vogts (re.) und Erich Beer.

Gleich in den ersten Filmminuten blendet der auf TV-Porträts spezialisierte Regisseur Torsten Körner ("Angela Merkel – Die Unerwartete") ins Dritte Reich zurück. Adler gab es auch bei den Nazis zuhauf, die junge Bundesrepublik übernahm nicht nur das Wappentier, sondern auch so manche Denkweise mit in die neue Demokratie. Unvergessen sind die Werbespots im Nachkriegsdeutschland, in denen das einzige Problem der teutonischen Hausfrau war, dass auch alles porentief rein gewaschen wird.

Der Film "Schwarze Adler" thematisiert die Hautfarbe im deutschen Sport.

Der Film "Schwarze Adler" thematisiert die Hautfarbe im deutschen Sport. © Broadview Pictures

Und da ergeben die von Körner aus der Mottenkiste gezerrten Zeitdokumente plötzlich Sinn: Weil sie die Stimmung grundierten, den Boden bestellten, auf dem der ganz alltägliche Rassismus bis heute wächst und gedeiht. Vom Persil-Werbespot zur großen Abendsendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in der – kein Witz – Schlagersänger Roberto Blanco zur Erheiterung in die Waschmaschine gesteckt und weiß gewaschen wird, ist es nur ein kleiner Schritt.

Ist auch Frauenfußball echt ein Witz?

Diese Szene ist einer von vielen rassistischen Schenkelklopfern, die sich doch schon damals – andere Zeit hin oder her – schal angefühlt haben müssen. Aber auch Wim Thoelke im Sportstudio zu erleben, wie er in Anwesenheit von Spielerinnen den Frauenfußball als Witz abkanzelt, ist beschämend. Dass so etwas heute öffentlich kaum noch gesagt wird, heißt nicht, dass diese Denke auch aus den Köpfen verschwunden ist.

Und dann sind da natürlich die 13 Protagonisten des Films – alle dunkelhäutig, alle irgendwann mal Fußballspieler in Deutschland, manche als Gast, andere im Nationaltrikot. Torsten Körner lässt sie erzählen und sich erinnern und montiert dazu munter seine Archivbilder. Und das funktioniert.

Da ist zum Beispiel Guy Acolatse. Als der Togolese in den 1960er Jahren für den FC St. Pauli (damals noch in der Regionalliga Nord) auflief, erhöhte Trainer Otto Westphal sein Gehalt nach wenigen Wochen plötzlich ungefragt um 100 Mark – weil die Zuschauerzahlen stiegen. Die Menschen kamen, um ihn spielen zu sehen. Ein Afrikaner in einem deutschen Stadion, das war etwas Exotisches – und Acolatse wusste diese Karte zu spielen: "Ich bin ein echter Neger", schrie er seine Gegenspieler an – "ich werde dich beißen!". Woraufhin die es tatsächlich mit der Angst zu tun kriegten...

Derart launige Anekdoten sind jedoch rar in "Schwarze Adler", der in seiner zielführenden Nüchternheit auf weite Strecken bedrückend und deprimierend wirkt. Tatsächlich sind Acolatses Erinnerungen die einzig durchweg positiven. Erwin Kostedde etwa hat das ganz anders erlebt, er war aber auch Deutscher und kein Gast auf Zeit. Nur Probleme wegen seiner Hautfarbe habe es gegeben, erinnert sich der Sohn einer deutschen Mutter und eines US-Soldaten, den er nie kennengelernt hat – "und ich bin wirklich ein harter Hund gewesen und habe viel weggesteckt".

Wie ein Gegenstand

Sein Leben lang habe er sich als ein Gegenstand gefühlt, selbst in der Blütezeit seiner Karriere als Stürmer in der Bundesliga hätten ihm Journalisten Fragen gestellt, als sei er kein Mensch. Als ihn 1974 als ersten deutschen Spieler mit schwarzer Hautfarbe der Ruf ereilt, für die deutsche Nationalmannschaft aufzulaufen, wird er beim Spiel gegen England auf dem Weg ins Wembley-Stadion von deutschen Fans rassistisch beleidigt. Er spielt daraufhin wie benommen, bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten. Mit der Nationalmannschaft wird er nie mehr richtig warm. "In Deutschland musst du so sein wie Berti Vogts, dann kommst du gut durch", sagt Kostedde, den sie in seiner Heimat Offenbach bis heute verehren (unter anderem trägt das Fanzine der Kickers seinen Namen).

Der Film "Schwarze Adler" thematisiert die Hautfarbe im deutschen Sport.

Der Film "Schwarze Adler" thematisiert die Hautfarbe im deutschen Sport. © Broadview Pictures

So richtig krass wird es in den 1990er Jahren, als Fußballspieler mit dunkler Hautfarbe vor allem im Osten der Republik immer brutaler beleidigt und offen angegangen werden. Im neuen Jahrtausend dann Diskussionen darüber, warum Spieler mit Migrationshintergrund die Hymne nicht mitsingen. Und rechtspopulistische Politiker, die einen Jérôme Boateng zwar auf dem Fußballplatz begrüßen, jedoch nicht als Nachbar haben wollen. Es bleibt blöd.

Als Fußballer verehrt, als Mensch verachtet – hat sich an dieser Grundhaltung etwas geändert? Eine Frage der Perspektive, meint Beverly Ranger, die 1976 als zweite Frau in der Geschichte des Sportstudios für das "Tor des Monats" gewählt und zum Interview mit Vico Torrianis "Schön und kaffeebraun" begrüßt wurde. Verglichen mit den 1960er Jahren habe sich klar etwas getan. "Aber sind wir als Gesellschaft weit genug? Ich glaube nicht."

Info:

"Schwarze Adler" ab 15. April bei Amazon Prime Video. Am 18. Juni im ZDF.

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