Von Süßkind bis Rowling

Völlig verschätzt: Diese Bestseller hatten Verlage zunächst abgelehnt

25.10.2021, 11:10 Uhr
Joanne K. Rowling wird ans Herz gelegt sich einen anderen Beruf zu suchen, als sie ihren Roman über einen gewissen Harry Potter einreicht. Die Buchreihe wurde weltweit über 500 Millionen Mal verkauft und in 80 Sprachen übersetzt.

© imago images/Thomas Frey Joanne K. Rowling wird ans Herz gelegt sich einen anderen Beruf zu suchen, als sie ihren Roman über einen gewissen Harry Potter einreicht. Die Buchreihe wurde weltweit über 500 Millionen Mal verkauft und in 80 Sprachen übersetzt.

Als das Buch von 30 Verlagen abgelehnt wird, verkauft Laurence J. Peter sein Manuskript für 2500 US-Dollar an William Morrow & Co., wo es mit lediglich 10 000 Exemplaren erscheint – so schlecht sind die Chancen, die der Verlag dem Werk einräumt. Es sollte aber anders kommen: Das Peter-Prinzip oder Die Hierarchie der Unfähigen verkauft sich allein im ersten Jahr über 200 000 Mal.

Danach führt das Buch lange Zeit die Bestsellerlisten an und wird bis heute in über 38 Sprachen übersetzt. Der verkannte Bestseller ist absolut kein Einzelfall. Viele Schriftsteller, unter ihnen weltberühmte Autoren, werden nicht nur mit ihren Erstlingswerken von Verlagen, Lektoren und Kritikern oft vollkommen falsch eingeschätzt.

Wenn es nach diesen geht, ist Herman Melvilles Moby Dick nämlich angeblich "zu lang, zu altbacken und im Großen und Ganzen unverkäuflich", H. G. Wells Die Zeitmaschine ist für die Leser "nicht interessant genug" und Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray ganz schlicht und einfach mit zu vielen "unschönen Elementen" versehen.

In neuerer Zeit sind es Autoren wie Patrick Süßkind (Das Parfüm), Robert Schneider (Schlafes Bruder) und Michael Crichton (Jurassic Park), die zuerst einmal völlig verkannt werden. Nun gut, viele Beschäftigte in den Verlagen fühlen sich überlastet und schicken deshalb so manches vielversprechende Manuskript ganz einfach postwendend wieder an den Autor zurück – ungelesen versteht sich.

Irving Stone ist es mit seinem Buch über Vincent Van Gogh bei einem der größten amerikanischen Verlage so ergangen: Erst nach 15 weiteren Absagen wird das Werk 1934 endlich gedruckt und im Buchhandel verkauft – bis zum heutigen Tag über 25 Millionen Mal.

Natürlich ärgern sich in so einem Fall die Verlage angesichts des entgangenen Gewinns, dass sie das Potential des Manuskripts nicht erkannt haben. Die Folgen abgelehnter Bücher können aber noch fataler sein, dann nämlich, wenn der Autor angesichts der vielen Absagen verunsichert ist und vielleicht zu Unrecht von seinem Weg abweicht.

Manche Lektoren möchten den offensichtlich im Scheitern begriffenen Schriftsteller auch vor Schlimmerem bewahren und geben ihm allerlei gutgemeinte Tipps mit auf den Weg. James M. Cain etwa wird ans Herz gelegt, sich doch besser einen anderen Beruf zu suchen, als er das Manuskript für Wenn der Postmann zweimal klingelt abgibt.

Die Autorin J.K. Rowling ist durch Harry Potter eine der reichsten Frauen der Welt.

Die Autorin J.K. Rowling ist durch Harry Potter eine der reichsten Frauen der Welt. © Evan Agostini/Invision/AP/dpa

Den gleichen Tipp erhält übrigens auch Joanne K. Rowling, als sie ihren Roman über einen gewissen Harry Potter einreicht – genau der gleiche Harry Potter übrigens, der sie später zu einer der reichsten Frauen der Welt machen wird.

Vladimir Nabokov hingegen wird von den Verlagsmitarbeitern empfohlen, bei einem Psychiater vorzusprechen, auf jeden Fall aber seine Lolita "unter einem großen Stein zu begraben, zumindest für die nächsten 1000 Jahre". Nett ist auch die Absage, die sich Harry Crews für seinen Geschichten-Sammlung abholen kann: "Verbrenne es, Junge, verbrenne es!"

Sie sind der schlechteste Dichter, den es gibt

Noch einen Schritt weiter geht ein literarisches Magazin, dem A. Wilber Stevens sein Manuskript anbietet. Er staunt nicht schlecht, als er den Antwortbrief öffnet und ihm nur eine Handvoll Asche entgegenrieselt. Nicht alle Schriftsteller finden das witzig. Da darf sich ja Lee Pennington direkt geehrt fühlen, als er auf ein Gedicht über William Faulkner – welches übrigens später von einer Zeitschrift zum besten Gedicht des Jahres gekrönt wird – die Antwort erhält: "Das ist das schlechteste Gedicht, das ich je gelesen habe, und Sie sind der schlechteste Dichter, den es überhaupt nur geben kann."

Angesichts derart geteilter Meinungen drängt sich der Verdacht geradezu auf, dass manche Verlage vielleicht auch einfach überfordert sind mit dem, was einige Schriftsteller da so abliefern. Oft genug nämlich scheitern die Lektoren am Genie des Schreibers, der seiner Zeit voraus ist. Edgar Allen Poes Geschichten etwa passen nicht in die althergebrachten Raster, mit denen man die Literatur bis dato ihrer Länge nach einzuordnen vermag; ganz schlicht und einfach aus dem Grund, weil Poe mit der Shortstory damals ganz neue Wege der Schriftstellerei geht. Kein Wunder also, dass er Absagen erhält, in denen vor allem die Kürze seiner Geschichten bemängelt wird.

Ein Fehler, wie heute jeder weiß. Kritiker sind nur bedingt eine Hilfe, da auch sie mächtig daneben liegen können. So heißt es in einer zeitgenössischen Kinderbuchbesprechung, Lewis Carrolls Alice im Wunderland sei für Kinder nicht geeignet, da das Buch sie "mit einer vollkommen überreizten Geschichte nur verwirre".

Eugene Poitou urteilt 1856 über Honoré de Balzac, es fehle ihm an "Einbildungskraft", und selbst ausgewiesene Experten wie Émile Zola können sich vergaloppieren, wenn sie etwa über Charles Baudelaires Die Blumen des Bösen von 1857 urteilen: "In einhundert Jahren wird die Literaturgeschichte dieses Werk nur noch als Kuriosum kennen."

Ein Buch ist ein Produkt

Den Geschmack der Leser trifft aber vielleicht John Burroughs am wenigsten, der seine Kritik 1897 im "Century Magazine" veröffentlicht. Darin schimpft er über eine "sich langweilig dahinschleppende Geschichte, die sehr vorhersehbar konstruiert sei und durch die er sich förmlich hindurchquälen musste". Der Autor des Werkes, das er hier so vehement verreißt, ist heute weltbekannt: Charles Dickens. Das Buch, um das es hier geht, ist Eine Geschichte aus zwei Städten, mit 200 Millionen verkauften Exemplaren eines der meistgelesenen Bücher der Welt.

Da Lektoren sich nicht gerne blamieren, versuchen manche von ihnen die Frage nach der künstlerischen Qualität eines Werkes zu umgehen, indem sie diesem die Marktfähigkeit absprechen. Eines darf man nämlich nicht vergessen: Für die allermeisten Verlage ist ein Buch ein Produkt, das auf einem Markt bestehen und Gewinne abwerfen soll – mit Kunst und Niveau hat das nicht zwingend etwas zu tun.

Ganz im Gegenteil sogar, unken Autoren: Wer obenauf schwimmen will, sollte Tiefgang möglichst vermeiden. Nicht immer sind die Absagen der Verlage dabei aber so direkt wie im Falle Donald Robert Perry Marquises, dem lapidar mitgeteilt wird: "Wir mögen die Geschichte zwar, aber sie ist über dem Niveau unserer Leser." Das ist natürlich kein wirklicher Trost, und so reagieren die Schriftsteller in ganz unterschiedlicher Weise auf die Absagen, die sie erhalten.

Manche tapezieren damit ihre Wohnung und zwar nicht nur im übertragenen Sinne des Wortes. So findet Lee Pennington nämlich, dass er keineswegs der "schlechteste Poet aller Zeiten" ist und schmückt vielmehr seine Wände mit den Tausenden von Absagen, die sich inzwischen angesammelt haben.

Beatrix Potter, deren Manuskript von dem englischen Verleger Frederick Warne abgelehnt wird, entschließt sich hingegen zum Selbstverlag. Erst, als sich ihr Buch immer besser verkauft, sieht Warne seinen Fehler ein und übernimmt fortan die Publikation. Der Sinneswandel hat sich für Warne gelohnt, immerhin ist Die Geschichte von Peter Hase eines der erfolgreichsten Kinderbücher aller Zeiten und hat sich bis heute mehr als 45 Millionen Mal verkauft.

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