Gespräch mit Axel Ballreich

Was die Nürnberger Musikclubs brauchen, um zu überleben

11.8.2021, 05:50 Uhr
Schönes Design, aber so leer will den Club Stereo niemand haben, weder Betreiber noch Publikum.

© Basti Steiner, NNZ Schönes Design, aber so leer will den Club Stereo niemand haben, weder Betreiber noch Publikum.

Wie geht es weiter mit und in den Clubs? Wann gibt es dort Musik wieder als Gemeinschaftserlebnis? Und werden die Spielstätten Corona überhaupt überleben? Der Nürnberger Axel Ballreich, Mitbetreiber des Concertbüro Franken (u. a. Musikclub Hirsch), kennt die Branche wie kein zweiter. Er ist optimistisch, hocherfreut über einen Preisregen für Nürnberg – und hat klare Forderungen.

Bei der Vergabe der bundesweiten „Applaus“-Preise für Musikclubs hat Franken kürzlich abgeräumt: Sieben Auszeichnungen gingen nach Nürnberg - nach Hannover und Frankfurt jeweils drei, nach München zwei. Ist Nürnberg also ein besonders gutes Pflaster für die Clubkultur?

Axel Ballreich, Mitbetreiber des Concertbüro Franken.

Axel Ballreich, Mitbetreiber des Concertbüro Franken. © privat, ARC

Axel Ballreich: Ja, aber es ist unterschätzt. Hier trifft der Spruch vom Propheten zu, der im eigenen Land nichts gilt.

Unterschätzt von wem?

Ballreich: Ein wenig vom Publikum, aber ganz stark von den offiziellen städtischen Stellen.

Die Stadt unterstützt die Clubkultur nicht ausreichend?

Ballreich: Ja, das würde ich so sagen. Sie steckt von jeher viel Geld in die Soziokultur, was durchaus seine Berechtigung hat, was aber dazu führt, dass für die anderen nichts mehr übrig bleibt - außer warmen Worten.

Was sind die besonderen Stärken der hiesigen Clubkultur?

Ballreich: Die große Vielfalt. Wir haben wirklich alles – von Clubs mit Indiemusik über Jazzclubs bis zu Rock- und Pop veranstaltenden Spielstätten, die in der obersten Liga in Deutschland mitspielen. Im Reigen der Halbmillionen-Städte wie Bremen, Hannover, Leipzig, Dresden, Essen oder Dortmund können wir nicht nur mithalten, sondern liegen, was die Qualität angeht, ganz klar vorne.

Sie sind Vorsitzender der LiveKomm, des Verbandes der Musikspielstätten in Deutschland. Werden Sie von der Politik gehört?

Ballreich: Vor eineinhalb Jahren hätte ich gesagt: Wir haben damit immense Schwierigkeiten. Inzwischen haben wir uns einen guten Stand erarbeitet. Durch unsere Aktivitäten hat sich ein parlamentarisches Forum für Clubkultur gegründet, an dem 25 Bundestagsabgeordnete aller demokratischer Parteien teilnehmen.

Menschen dicht an dicht, verschwitzte Partystimmung: Wann wird es das im Musikclub Hirsch wieder geben?

Menschen dicht an dicht, verschwitzte Partystimmung: Wann wird es das im Musikclub Hirsch wieder geben? © e-arc-tmp_20150519-122209-006.jpg, ARC

Fühlt sich die Branche in der Corona-Krise ausreichend unterstützt von der öffentlichen Hand?

Ballreich: Ja, Wir dürfen nicht allzu laut jammern. Aber jetzt muss es vorangehen. Wir wollen nicht von Hilfen abhängig sein. Das waren wir Jahrzehnte lang nicht. Jetzt sind wir es. Das ist für uns ein unangenehmes und völlig ungewohntes Gefühl.

Wie ist die Stimmungslage in der Branche?

Ballreich: Wir sind auf der einen Seite noch ganz guter Stimmung, jetzt langsam aber auch trotzig. Mit verminderten Kapazitäten von 30 bis 50 Prozent können wir nicht existieren. Und wir können nicht in einem ewigen Schwebezustand leben. Deshalb fordern wir angesichts des Impffortschritts ein Ende der Corona-Einschränkungen für den Indoorbereich ab Oktober. Schon jetzt sollte die Masken- und Abstandspflicht für Live- und Clubveranstaltungen fallen. Außerdem sind wir der Meinung, dass den Clubs eine Auslastung von 100 Prozent erlaubt sein sollte, wenn sich dort nur Geimpfte oder Genesene aufhalten.

Das alles fordern Sie in Zeiten steigender Inzidenzen?

Ballreich: Wenn jeder eine Impfchance hat, dann muss, wer sich nicht impfen lässt, eben auch mit Einschränkungen leben, wenn er Sport- oder Kulturveranstaltungen besuchen will.

Im Sport, hat man den Eindruck, geht mehr als in der Kultur.

Ballreich: Der Profisport hilft uns weiter. Mit seinem immensen Einfluss treibt er Entscheidungen voran.

Glauben Sie wirklich, dass die Aussicht, in Clubs zu dürfen, die Impfbereitschaft signifikant erhöhen kann?

Auch im Club Stereo will man wieder feiern wie früher.

Auch im Club Stereo will man wieder feiern wie früher. © Anestis Aslanidis, NNZ

Ballreich: Ja. Ich denke da an mich selber als Teenager: Da wäre das für mich ganz sicher ein Argument gewesen, mich impfen zu lassen. Die Impfgegner werden wir nie erwischen. Aber die Impfmüden und Impffaulen, was ja doch hauptsächlich die jungen Leute sind, schon.

Was braucht die Branche von der Politik jetzt vorrangig?

Ausweich-Vergnügen: Derzeit sind größere Konzerte nur in ausgefallenen Formaten möglich, wie hier beim Nürnberger Strandkorb Open Air.

Ausweich-Vergnügen: Derzeit sind größere Konzerte nur in ausgefallenen Formaten möglich, wie hier beim Nürnberger Strandkorb Open Air. © Michael Matejka, NNZ

Ballreich: Einen Zeitplan! Natürlich kann der dann auch korrigiert werden. Ich finde, wenn Boris Johnson in England etwas gut gemacht hat, dann war es der Zeitplan, den er vorgegeben und tatsächlich mehr oder minder eingehalten hat. Das erzeugt positive Grundstimmung und Sicherheit bei den Leuten. Das ist ganz wichtig. Denn so langsam geht die Stimmung beim Publikum in den Keller. Es gibt immer mehr illegale Feiern, die nicht zu kontrollieren sind. Da wäre ein geordneter Betrieb von unseren Spielstätten ganz sicher die weniger riskante Alternative.

Was wird bei der Wiedereröffnung das größte Problem sein? Personal zu finden? Die Hygienemaßnahmen zu organisieren? Das Publikum zu mobilisieren?

Ballreich: Ganz klar: Letzteres. Es dürfte schwierig werden und dauern, die gleiche Anzahl von Gästen wieder in die Clubs zu ziehen wie 2018 und 2019. Das waren aber auch wirklich goldene Jahre!

Wartet auf Besucher: der Club Stereo.

Wartet auf Besucher: der Club Stereo. © Basti Steiner, NNZ

Werden die meisten ihrer Kollegen überhaupt wieder aufsperren?

Ballreich: Im Moment sieht es tatsächlich danach aus! Hier vor Ort weiß ich von keinem, der zusperrt. Bundesweit gibt es ein paar ältere, die aufhören.

Apropos Alter: Eine Studie der Initiative Musik hat kürzlich festgestellt, dass die Betreiber der rund 2000 Musikspielstätten in Deutschland im Durchschnitt 48 Jahre alt sind, bei Jazzclubs sogar 60. Steht da ein ungewöhnlicher Generationenwechsel an?

Social Distancing im Konzert: das Strandkorb Open Air versucht diesen Spagat.

Social Distancing im Konzert: das Strandkorb Open Air versucht diesen Spagat. © Michael Matejka, NNZ

Ballreich: Ja! Aber wir arbeiten daran, den abzufedern. Wir haben zum Beispiel eine Bundesstiftung Clubkultur gegründet. Da versuchen wir langfristig Erbschaftsgelder zu generieren.

Der Bundestag will Musikclubs, die baurechtlich bislang mit Spielhallen oder Wettbüros auf einer Stufe standen, zu Kulturorten aufwerten. Was bringt das konkret?

Ballreich: Anerkennung! Unsere Tätigkeit kann dann nicht mehr einfach mit Lärm gleichgesetzt werden.


Fragen: Birgit Ruf

Axel Ballreich (Jahrgang 1961) betreibt seit fast 40 Jahren das Concertbüro Franken, das unter anderem den Hirsch und den Löwensaal gepachtet hat. Das Concertbüro veranstaltet mehr als ein Dutzend Festivals in der Region von „Lieder am See“ über das Feuertanzfestival bis zu „Burning Beach“. Ballreich ist Vorstand der LiveKomm, des Dachverbandes der Musikspielstätten in Deutschland.

Verwandte Themen