"Es ist einfach der Facettenreichtum"

Wie sich das Phänomen K-Pop auch in Nürnberg zeigt

29.7.2021, 10:40 Uhr
Die südkoreanische Boyband BTS tritt während des KIIS-FM Jingle Ball Konzertes auf.

© Chris Pizzello/Invision/AP/dpa Die südkoreanische Boyband BTS tritt während des KIIS-FM Jingle Ball Konzertes auf.

Er treibt sogar Kim Jong-un um. Dieser neue Sound vom südlichen Nachbarland korrumpiere die jungen Nordkoreaner, so der Diktator. Und seine Angst ist nicht unbegründet: K-Pop, das ist koreanischsprachige Popmusik aus Südkorea und sie legte in den vergangenen Jahren einen gigantischen Aufstieg hin.

Die Spielart des Pop ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Südkorea. Weil die Macher es auf den größtmöglichen Erfolg anlegen. Dementsprechend hören sich die Songs von bekannten Bands wie BTS oder Blackpink an wie das Konzentrat der letzten Jahrzehnte populärer Musikgeschichte. Und ihre Konzerte füllen heute Arenen. Weltweit.

Reizüberflutung namens K-Pop

In einem K-Pop-Song können sich verschiedene Einflüsse perfekt vermischen. Alles bleibt natürlich Pop, aber in manchen Songs lassen sich Ecken und Kanten von Trap, House, Rock und Reggae finden. Zudem sorgen hier wie da eingestreute englische Textzeilen für die nötige Internationalität. Im Vergleich dazu war J-Pop, japanische Popmusik, die in den 90ern zu größerer Aufmerksamkeit kam, weit extravaganter. Und während J-Pop nur noch ein Nischenthema ist, laufen bekannte K-Pop-Bands mittlerweile sogar im Formatradio.

Zahlreiche Musikkritiker fanden dementsprechend schon ihre Argumente gegen K-Pop. "Es herrscht fast immer der akustische Ausnahmezustand, aber damit ist im Grunde viel zu wenig gesagt, denn die Reizüberflutung namens K-Pop erreicht erst ihr rechtes Maß, wenn man sich die Musikvideos anschaut", schrieben etwa Kim Maurus und Jonas Lages vor drei Jahren in der Süddeutschen Zeitung. Ausgeklammert bleibt dabei: Auch westliche Popmusik musste sich erst in den letzten Jahren seine Anerkennung der Musikkritik erarbeiten. (Taylor Swift und Beyoncé schaffen es heute ohne Probleme mit positiven Rezensionen neben Bob Dylan in die Feuilletons.)

Zudem gehört der "akustische Ausnahmezustand" heutzutage zu genug anderen Sounds, weil: Aufmerksamkeitsökonomie, Klicks, Streams, Verkäufe. Da bilden Songschreiber aus Europa und den Vereinigten Staaten keine Ausnahme. Und gerade das Netz spielte bei der Verbreitung von K-Pop eine wichtige Rolle. Doch was macht nun den konkreten Reiz an dieser Musik aus?

"Mich faszinieren die Tänze auf jeden Fall", sagt Cara Sturm. Die 20-jährige Nürnbergerin ist seit Jahren Anhängerin dieser Musikrichtung und seit etwas mehr als drei Monaten Teil der Gruppe Overzone. Gemeinsam tanzen die K-Pop-Fans der Gruppe die aufwändigen Choreografien aus den Musikvideos nach und zeigen sich dabei mitten in der Nürnberger Innenstadt. "Es ist einfach der Facettenreichtum bei K-Pop. Es geht in sehr viele verschiedene Richtungen", sagt sie. Zudem seien die Lieder ja bewusst als Ohrwürmer komponiert.

Auftritte in der Nürnberger Innenstadt

"Die Choreografien müssen absolut synchron sein und sind sehr aufwändig. Manchmal guckt man die Choreografie an und fragt sich: Wie können die Leute dazu überhaupt noch singen?", so Sturm. Wie hoch die Anforderungen sind, lässt sich auch bei den Auftritten von Overzone erahnen. Nach dem Einstudieren geht es in die Innenstadt von Nürnberg. "Wir finden es cooler, wenn wir die Choreografie in der Öffentlichkeit machen, weil es dann näher an einen Auftritt rankommt." Die Stadt ist eine Herausforderung dabei – auch weil die Gruppe den Boden nicht kennt. Dazu filmen Overzone ihre Auftritte in Nürnberg an einem Stück ohne Schnitte. Das Ganze gibt es danach auf Instagram, TikTok und YouTube zu sehen.

Im Netz sind die Reaktionen auf die Videos überwiegend sehr positiv. Viele K-Pop-Fans halten zusammen und unterstützen sich. Die Reaktionen der Passanten sind da schon unterschiedlicher: Von absoluter Begeisterung bis hin zu Leuten, die einfach durch die Gruppe während des Tanzes laufen, sei alles dabei, so Sturm.

Die Stars des K-Pop durchlaufen bereits in jungen Jahren verschiedene Trainings, Agenturen und Institutionen, die sie so formen, dass sie maximalen Erfolg mit ihrem Auftreten herausholen. Teilweise unter unmenschlichen Bedingungen. (Was kein Alleinstellungsmerkmal ist – siehe: Britney Spears und die US-Musikindustrie.) Zumal sich viele Fans von K-Pop dieser Umstände bewusst sind – und dies nicht gut finden. "Das ist eine Sache, die ich nicht unterstütze, weil es wirklich ein hartes Training ist", sagt Sturm. "Aber in den letzten Jahren hat sich da auch viel geändert." Große Agenturen mussten bestimmte Klauseln aus ihren Verträgen streichen, die Bezahlung soll sich gebessert haben. Die Stars müssen natürlich trotzdem funktionieren in einem internationalen Milliardengeschäft. Das eben auch Franken seit einiger Zeit erreicht hat.

Die Szene in Nürnberg sei größer, als man denkt, sagt Sturm. K-Pop-Partys gibt es zwar seit ein paar Jahren, doch die internationale Popularität des südkoreanischen Pop kommt erst jetzt so langsam an die fränkische Öffentlichkeit. Ein akustischer Ausnahmezustand? Einfach ein Ding der Jugend. Dieses Mal eben mit sehr vielen Ohrwürmern.

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