Wölfe im Schafspelz: Der Lindholm-"Tatort" im Check

25.4.2020, 13:11 Uhr
Anais Schmitz (Florence Kasumba, l) und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) gehen in "National Feminin" dem Mord an einer rechten Bloggerin auf den Grund.

© NDR/Frizzi Kurkhaus Anais Schmitz (Florence Kasumba, l) und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) gehen in "National Feminin" dem Mord an einer rechten Bloggerin auf den Grund.

Um was geht’s? Zwischen den Bäumen des Göttinger Stadtwalds findet eine Joggerin die Leiche einer jungen Frau. Bei der Ermordeten handelt es sich um die Jura-Studentin Marie Jäger (Emilia Schüle). Ersten Erkenntnissen zufolge starb sie durch einen Messerstich in den Hals.

Was passiert dann? Lindholm (Maria Furtwängler) und Schmitz (Florence Kasumba) finden heraus, dass Jäger einen Stalker hatte und kurz vor ihrem Tod Anzeige gegen Unbekannt erstattet hatte. Sie betrieb einen Videoblog, in dem sie rassistische Thesen verbreitet hatte und die Werbetrommel für die "Junge Bewegung" gerührt hatte - eine rechte Gruppierung, welche die "ethnokulturelle" Identität der europäischen Völker erhalten will.

Und jetzt? Das aufgrund der Gemengelage unter großem öffentlichen Druck stehende und inzwischen gut miteinander harmonierende Fahndungs-Duett beginnt zu wühlen. Schon bald steht es knietief in einem braunen Sumpf und stellt fest, dass Rechtsextreme von heute keine Springerstiefel mehr tragen, sondern Hipster-Outfit und braunes Gedankengut anders als früher viel subtiler und hübscher verpackt wird. Daneben lernen die Cops eine nur schwer zu durchschauende Professorin (Jenny Schily) kennen, die von den "Neuen Rechten" vergöttert wird und offenbar mehr als nur berufliche Beziehungen mit der Toten unterhielt.

Die Geschichte hinter der Geschichte: Die "Junge Bewegung" im Film ähnelt der real existierenden "Identitären Bewegung". Der Verfassungsschutz stuft die völkisch orientierte Gruppierung als rechtsradikal ein. Als Vorlage für die Figur der Professorin diente Camille Paglia. Die homosexuelle Intellektuelle kämpft für Frauenrechte, muss aber wegen ihrer Thesen viel Kritik aushalten. Darüber hinaus wird sie regelmäßig von Rechtsextremen für sich vereinnahmt.

Die Beobachtungen des Films: Die einparfümierte Lindholm turtelt weiter mit Schmitz' Ehemann Nick (Daniel Donskoy) und Rosen aus Göttingen sehen auch nach einem halben Tag ohne Wasser auf der Rückbank des Dienstwagens wie frisch vom Floristen aus.

Die Erklärung des Films: Der Begriff Femizid bezeichnet die Tötung von Menschen weiblichen Geschlechts. Laut einem Artikel von Zeit Online, der sich auf Zahlen des Bundeskriminalamts beruft, sind 2018 in Deutschland 122 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht worden.

Das Zitat des Films: "Wenn du deine Identität nur durch ein Feindbild aufrechterhalten kannst, dann ist deine Identität eine Krankheit."

Die Randnotiz des Films: Ein starker Kaffee mit dem Saft einer halben Zitrone vollbringt nicht nur nur bei leichten Migräne-Attacken Wunder, sondern auch, wenn der Kreislauf aufgrund von Schlafmangel im Keller ist.

Unser Fazit: Lindholms und Schmitz' dritter gemeinsamer Fall wühlt tief im braunen Morast. "National Feminin" setzt sich mit den "Neuen Rechten" auseinander, den Nazis im Tarnmantel, und thematisiert die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Nur manchmal schießen Autor Florian Oeller und Regisseurin Franziska Buch in ihrem Film etwas über das Ziel hinaus. Dann wirkt ihre Geschichte zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger erzählt. Vor allem, wenn Lindholm vor versammelter Truppe ihre belehrenden Reden schwingt. Abgesehen davon vermag dieser "Tatort" aber ein durchaus nachvollziehbares Bild der Szene transportieren und den Zuschauer gut unterhalten. Unsere Note: Eine glatte Zwei.

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