"You are here": Kulturführer von Flüchtlingen für Flüchtlinge

18.4.2016, 15:08 Uhr

© Foto: Edgar Pfrogner

"Das ist nichts Geringeres als der erste mehrsprachige Online-Kulturführer für Nürnberg", sagt Roman Deska, der das Projekt zusammen mit Paul Blotzki im Oktober 2015 angestoßen hat. Damals gründeten die beiden die Facebook-Seite "Refugees Nürnberg – You are here", auf der sie jene lokalen Kultur-Angebote sammelten, die vor allem für Asylbewerber interessant sein könnten. "Zunächst war unsere Seite zweisprachig aufgebaut: deutsch und englisch. Aber bald wollten wir die verschiedenen Sprachen der über 9000 Neu-Nürnberger nicht mehr außer Acht lassen."

Sie starteten über Facebook einen Aufruf, in dem sie nach Übersetzern suchten. Kurz darauf meldete sich der aus dem Irak stammende Barham Ismail, der Ende 2015 nach Deutschland kam. Er wurde als erster "Neu-Nürnberger" ehrenamtlicher Mitarbeiter des Projekts.

Mit der Zeit wuchs nicht nur die "You are here"-Redaktion an – auf bislang neun Mitarbeiter aus Deutschland, dem Irak, dem Iran, Syrien und Tunesien: Auch das Inter-Kultur Büro der Stadt und die Fachstelle für Flüchtlinge schalteten sich ein. Zusammen mit Elnaz Amiraslani, die sich mit ihrer Veranstaltungsagentur Parvenue längst einen Namen in der hiesigen Kulturszene gemacht hat, entwickelte sich das ehrenamtliche Projekt rasant.

Das Coworking Nürnberg am Josephsplatz stellte Büroräume zur Verfügung, die Sparkasse spendete Laptops, Videokameras und sonstiges technisches Equipment. "Klar ist es vor allem Medienarbeit, die wir machen", sagt Amiraslani. "Aber eben dadurch sollen sich unsere Redakteure integrieren und künftig auch qualifizieren."

Die sprachlich-kulturellen Unterschiede seien kein Hindernis. Vielmehr hat das Team derzeit mit der behördlichen Verteilung von Flüchtlingen zu kämpfen: "Barham lebte erst in Nürnberg, jetzt musste er nach Ansbach. Das macht eine gemeinsame redaktionelle Arbeit hier vor Ort nicht leicht", erzählt Paul Blotzki.

Geschafft haben sie binnen kurzer Zeit trotzdem einiges: Die Plattform besteht aus einer hochprofessionellen Facebook-Seite, die nun um multimediale Blog-Beiträge auf der Website refugees-nuernberg.de ergänzt wird – bislang in den Sprachen Deutsch, Englisch, Arabisch, Kurdisch und Farsi. Neben dem klassischen Guide, der Clubs, Museen, Kulturvereine und -läden vorstellt, gibt es Veranstaltungstipps sowie Video-Reportagen aus dem Stadtleben oder über deutsche Gepflogenheiten (wie beispielsweise den launigen Karnevals-Crashkurs "How to Fasching").

Zur feierlichen Freischaltung der Website in den Coworking-Räumen kam auch Nürnbergs Asylbeauftragter Christian Mätzler. Er zeigte sich vom Engagement der Mitarbeiter und der Dynamik des Projektes sichtlich bewegt – und forderte ein gesellschaftliches Umdenken: "Immer sprechen wir nur über die Probleme in der sogenannten Flüchtlingskrise. Unser Blick sollte sich jetzt darauf richten, was für eine Bereicherung das Ganze auch ist. Und was wir gemeinsam schaffen können."

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